Aber hallo. Es gibt tatsächlich zur Abwechslung einen Botschafter, der nicht den üblichen Diplomatensprech verwendet und viel bei Cocktail-Empfängen dampfplaudert, aber trotzdem nichts sagt. Kadri Ecved Tezcan sein Name, türkischer Botschafter in Wien. Es ist nicht nur erfrischend, dass ein Vertreter seiner Zunft sich endlich einmal konstruktiv an der politischen Debatte in Österreich beteiligt, sondern er hat auch noch Recht mit dem, was er sagt.

Gehen wir seine Aussagen durch:

Tezcan kritisiert vor allem die verbesserungswürdige österreichische Integrationspolitik. Probleme haben hier in der Vergangenheit alle heimischen Parteien und auch die Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft und die unterschiedlichen Kirchen eingeräumt.

Tezcan sagt, Innenministerin Fekter befinde sich in der „falschen Partei“. Eine ÖVP-Ministerin, die erst nach medialer Großaufregung im Kleinformat die Abschiebung von Kindern humaner gestalten wollte, wirkt tatsächlich nicht besonders christlich-sozial.

Auch mit seiner Einschätzung von FPÖ und SPÖ liegt Tezcan völlig richtig: „Strache hat keine Idee, wie sich die Welt entwickelt. Ich habe auch noch nie eine sozialdemokratische Partei wie in diesem Land gesehen. Normalerweise verteidigen Sozialdemokraten die Rechte von Menschen, wo immer sie auch herkommen. ‚Wenn wir etwas dazu sagen, bekommt Strache mehr Stimmen.‘ Das ist unglaublich.“ Laura Rudas sollte sich das ausdrucken und in der Parteizentrale aufhängen.

Bei der folgenden Aussage untertreibt Tezcan sogar: „Wenn Türken in Wien Wohnungen beantragen, werden sie immer in dieselbe Gegend geschickt, gleichzeitig wirft man ihnen vor, Ghettos zu formen. Und österreichische Familie schicken ihre Kinder nicht an Schulen, in denen ethnische Minderheiten die Mehrheit stellen. So werden Türken in die Ecke gedrängt.“ Tatsächlich ist es nämlich so, dass österreichische Familien schon ihre Kleinkinder nicht in die Kindergärten schicken, in denen zu viele „Ausländer“ sind.

Das Sprachproblem erfasst Tezcan auch völlig richtig: „In den letzten 20 Jahren haben uns österreichische Regierungen nicht erlaubt, Lehrer aus der Türkei zu holen, um die Kinder in Türkisch zu unterrichten. Wenn Kinder ihre Muttersprache nicht korrekt lernen, werden sie auch eine andere Sprache nicht gut erfassen.“ Das sagen Sprachwissenschafter in Österreich auch immer wieder. Der Botschafter betont auch, dass er seinen Landsleuten immer wieder erklärt, wie wichtig es sei, Deutsch zu lernen. Dass Tezcan Türkisch als Maturasprache fordert, geht freilich doch eine Spur zu weit, hier gibt es noch Diskussionsbedarf.

Bei einer Aussage liegt der türkische Botschafter schließlich nicht ganz richtig, weil er vermutlich noch nicht im tiefsten Kärnten oder in den wildesten Gegenden des Burgenlandes war: „Es ist ein großer Unterschied zwischen Wien und dem Rest Österreichs. Wenn ich Wien verlasse, sind alle gastfreundlicher.“

In Summe hat Tezcan einen wichtigen und inhaltlich interessanten Beitrag zur Integrationsdebatte abgegeben, den die heimische Politik aufgreifen sollte, um das Verhältnis zur Türkei und den türkischen Migranten neu zu ordnen - bzw. überhaupt einmal tiefergehend zu besprechen. Die wehleidige Reaktion – vor allem von Seiten der ÖVP, die vor allem wegen der Kritik an Fekter von „inakzeptablen“ (Pröll, Faymann) und „respektlosen“ (Spindelegger) Aussagen spricht – zeigt, wie richtig er liegt, wenn er sagt: „Warum habt ihr 110.000 Türken eingebürgert? Wie konntet ihr sie als Bürger akzeptieren, wenn es so ein großes Integrationsproblem mit ihnen gibt? Ihr müsst mit ihnen reden.“

Man muss freilich nicht alles gutheißen, was Tezcan sagt. Aber auf die Debatte einlassen sollte sich die heimische Politik schon, auch wenn Maria Fekter noch so "erzürnt" ist, wenn man ihr den Spiegel vorhält. (Rainer Schüller, derStandard.at, 10.11.2010)