Wien - Nicht nur ein neuer Direktor und ein neuer Generalmusikdirektor bestimmen die Geschicke der Wiener Staatsoper, auch in der Anleitung des Staatsopernorchesters treten neue Dirigenten die Aufgabe an, das Niveau jener zwei Drittel der Aufführungen zu heben, über die man nach Herbert von Karajans Diktum „zu schweigen" hatte.

Patrick Lange ist so einer: Ende Dezember wird der Chefdirigent der Komischen Oper Berlin den nigelnagelneuen Don Giovanni des musikalischen Hausgenerals Welser-Möst weiterbetreuen und weiterfolgend auch den Jahreswechsel an der Wiener Staatsoper feiern dürfen, mit der Fledermaus. Am Montag gab der Deutsche sein Hausdebüt mit Puccinis Madama Butterfly.

Noch keine 30 Jahre alt, ist Lange bereits ein frappierend versierter, kompetenter Leiter und Koordinator des vokal-instrumentalen Operngeschehens, präzise in der Zeichengebung, mit energischem Impetus. Den ersten Akt siedelte der ehemalige Abbado-Assistent jedoch nicht bei Nagasaki an, sondern an der Rennbahn: In kaum 50 Minuten durcheilte er ihn geschäftig wie auch mit oft erstaunlich wenig Sinn für das Wogen des Puccini'schen Gefühlsozeans und beraubte damit auch Neil Shicoff, den Beinahe-Hausherrn, jeder Gelegenheit, seine vokale Pracht in der Darstellung des Pinkerton zur Entfaltung zu bringen.

Wendiger, vokal durchschlagskräftiger präsentierte sich Svetla Vassileva in der Titelpartie; mit einer dramatischen Spannweite, die schwärzeste wie sonnigste Schicksalsmomente sensibler Seelen zu fassen weiß, fesselte die Bulgarin - sie war lediglich vor 11 Jahren einmal als Liù am Haus zu hören -ungemein. Aura Twarowska gab die Suzuki als große Tragödin, Marco Caria den Sharpless nobel und schön.
Das Staatsopernorchester - jener Teil, der nicht im Lande Cio-Cio-Sans weilt - fand nach einem eher struppigen Eröffnungsfugato zu Präzision, Spielfreude und abschnittsweise betörender Klangschönheit; die Inszenierung von Josef Gielen, die mit ihren 53 Jahren ein Alter erreicht hat, in dem sich der durchschnittliche ÖBB-Bedienstete schon längst in die Pension zurückgezogen hat, zeigte sich in gewinnender Frische. (end, DER STANDARD/Langversion, 9. November 2010)