ModeratorIn: Wir begrüßen Wissenschaftsministerin Beatrix Karl im Chat und bitten die UserInnen um Fragen!

Beatrix Karl: Wünsche einen schönen Vormittag und freue mich auf spannende Diskussionen.

Loonquawl: S.g. Frau Ministerin, was halten sie vom Humboldt'schen Bildungsideal und sehen sie es in der derzeitigen Bildungspolitik verwirklicht?

Beatrix Karl: Für mich ist an den Universitäten die forschungsgeleitete Lehre von zentraler Bedeutung. Sie macht Universität aus.

Necromancer: Wieso werden die Studienplätze nicht ausgebaut, damit mehr Leute studieren können? Für Österreich zeichnet sich z.B. ein Medizinermangel ab, und letztes Jahr wurden nur 15% der Bewerber durch den EMS-Test zugelassen, in Wien sogar nur 13%.

Beatrix Karl: Die Medizinstudienplätze sind darauf ausgerichtet den Ärztebedarf zu decken, deshalb wird laufend der Ärztebedarf erhoben. Die Ergebnisse der momentan laufenden Studie werden im Frühjahr präsentiert.

1b02bdb7-65cd-4b7d-bebc-69b5bc9c8f8d: Sie selbst haben ohne Beschränkungen und Studiengebühren studiert - wie moralisch ist es in Ihrem Fall, jetzt für diese einzutreten?

Beatrix Karl: Da ich Studienbeihilfe bezogen habe, hätte ich die Studienbeiträge ersetzt bekommen. Es ist für mich klar, dass Studienbeiträge mit einem treffsicheren Stipendiensystem gekoppelt sein müssen.

ModeratorIn: Userfrage per Email: Wie stehen sie zu den prekären anstellungsverhältnissen an den universitäten, welche das UG2002 mit sich gebracht hat (Stichwort: kettenvertragsregelung)?

Beatrix Karl: Die Universitäten haben die Möglichkeit auch unbefristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen. Leider machen sie von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch. Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen stellt sich die Kettenvertragsproblematik nicht.

a q: Frau Minister, ich würde gerne Wissen wo Sie die Universitäten in 10Jahren sehen wollen? Wie wollen Sie die Akademiker Quote in Österreich steigern?

Beatrix Karl: Ich wünsche mir mehr Qualität in Lehre und Forschung, insbesondere in den Massenfächern. In den Massenfächern herrschen momentan Studienbedingungen die für die Studierenden sowie für die Lehrenden und Forschenden unzumutbar sind. Die Folge sind hohe Drop-out-Raten, diese möchte ich senken. Durch das Senken von Drop-out-Raten und Verbesserung der Qualität im Studium wird es auch gelingen die Akademikerquote zu steigern. Dazu bedarf es in den Massenfächern Aufnahmeverfahren.

Dunkin' Donuts: Guten Tag! Können Sie mir auch nur einen einzigen guten Grund nennen, ein funktionierendes Spitzeninstitut mit weltweiter Vorbildwirkung zu schließen, während anscheinend genügend Geld für eine Möchtegern-Elite Uni in der Pampa gibtß

Beatrix Karl: Die exzellenten außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden nicht geschlossen. Die Exzellenz soll z.B. durch Anbindung an Universitäten und Bündelungen gestärkt werden und damit besser sichtbar werden. Die sogenannte Elite-Uni ist keine Uni sondern eine exzellente Forschungseinrichtung.

Miles Edgeworth: Sind Ihnen die internationalen Reaktionen auf die Schließung des ESI nicht ein wenig peinlich?

Beatrix Karl: Mit dem ESI werden Gespräche geführt. Eine Schließung ist nicht beabsichtigt. Auch hier geht es darum die Exzellenz zu sichern, vor der ich mich bei einem Besuch auch selbst überzeugen konnte.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Die Universitäten haben mit knappen Budgets zu kämpfen, dementsprechend heftig sind die internen Kämpfe um Ressourcen. Wie soll es ihnen möglich sein, sich spontan außeruniversitäre Institute einzuverleiben und warum sollte

Beatrix Karl: Es sind für solche Anbindungen natürlich auch finanzielle Mittel vorgesehen.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: S. g. Frau Dr. Karl, Ihre Klubkollegin Cortolezis-Schlager meint, dass es unklug wäre, bestehende Institute, die zwei Drittel ihres Budgets international einwerben, aufzulösen, wenn jetzt schon klar ist, das sie in Zukunft

Beatrix Karl: Durch die Anbindung an Universitäten wird die Einwerbung von Drittmitteln künftig noch leichter möglich sein. Zu dem ergeben sich für die MitarbeiterInnen neue Karriereperspektiven und die Interdisziplinarität und Transdisziplinarität gefördert. Auch die Infrastruktur kann gemeinsam genützt werden.

Mercury12: Sie haben bereits von der hohen öffentlichen Finanzierungsquote gesprochen. Wie genau kann man sich das vorstellen, dass jetzt private Gelder lukriert werden und warum gabs die bisher nicht?

Beatrix Karl: Die Finanzierung der Universitäten durch die öffentliche Hand ist in Österreich wie auch internationale Vergleiche zeigen überdurchschnittlich hoch. Deshalb empfiehlt auch die OECD die private Beteiligung zu erhöhen. Dazu zählen Studienbeiträge und Beiträge der Wirtschaft. Beiträge der Wirtschaft können z.B. Forschungsaufträge, Stiftungsprofessuren und Sponsoring sein. An der TU Graz gibt es z.B. das von Magna gesponserte Frank Stronach Institut.

täglich Alles: Josef Pröll meinte, dass es jeden 25 Jährigen zumutbar ist neben dem Studium arbeiten zu gehen. Ich bin selbst Student und muss aus eigener Erfahrung dazu anmerken, dass es unmöglich ist das Studium in Mindestzeit zu absolvieren, wenn man nebenbei a

Beatrix Karl: In vielen Studienrichtungen wurde die Studienzeit durch Einführung des Bachelors auf 3 Jahre reduziert und damit verkürzt. Für Präsenzdiener, Zivildiener, Mütter und Schwangere hat der zuständige Familienminister Mitterlehner eine Ausnahmeregelung außer Streit gestellt.

ModeratorIn: Userfrage per Email: Wie können sie so einer Kürzung wie bei den Forschungsinstituten (es geht dabei um Millionen nicht Milliarden) zustimmen, währed die Regierung x Milliarden In Autobahn- und Bahntunnel vergräbt?Können sie nicht einfach "Halt" ruf

Beatrix Karl: Die Maßnahmen betreffend die außeruniversitären Forschungseinrichtungen dienen vor allem auch der Strukturreform wie sie etwa auch vom Rechnungshof, Wissenschaftsrat und Forschungsrat empfohlen wurde. Ich will eine moderne und effiziente Forschungsförderung die auf die Entwicklungen der letzten Jahre Rücksicht nimmt.

morin huur: Sehr geehrte Frau Ministerin, ich bin ein Preistraeger des Award of Excellence 2009, der von Ihrem Ministerium vergeben wird. Derzeit arbeite ich als Mathematiker an der Kyoto University. Warum wuerden Sie mir - in Anbetracht Ihrer Budgetpolitik - r

Beatrix Karl: Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Karrieresprung. Es freut mich sehr wieder einmal zu sehen, dass österreichische Forscher internationale Karriere machen. Mein Ziel ist es die Rahmenbedingungen an den Universitäten so zu verbessern dass sie für international tätige TopforscherInnen noch attraktiver werden. Auch bei der momentanen Strukturreform im Bereich der außeruniversitären Forschung geht es mir darum, Exzellenz zu sichern und international sichtbarer zu machen. Wir müssen im Forschungsbereich auf unsere Stärken setzen, die wir ohne Zweifel haben, wie z.B. im Bereich der Quantenphysik, Biotechnologie und Mathematik.

nZee: Auch wenn die Institute in Universitäten integriert werden, werden sie dennoch mindestens um den halben Budget gekürzt und können ihre renomierte Arbeit nicht mehr so fortsetzen. Stimmt das so?

Beatrix Karl: Es werden mit jeder einzelnen Einrichtung Gespräche geführt um gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen. Gerade bei den Anbindungen an die Universitäten gilt es auch zu berücksichtigen, dass sich durch die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur Effizienzpotentiale ergeben.

Maximinianus: Als Geschichtestudierender habe ich mit Schrecken vernommen, dass es wohl auch auf der Geschichte ein Aufnahmeverfahren geben wird. Aus meiner Erfahrung lässt sich bei Studienbeginn noch überhaupt nicht sagen wer einmal ein/e gute/r HistorikerIn wir

Beatrix Karl: Bei den Aufnahmeverfahren soll auf die Eignung abgestellt werden. Sie sind vor allem in den Massenfächern unerlässlich, wenn man gute Qualität im Studium haben will. Mein Ziel ist, dass die Universitäten eine qualitativ hochwertige Lehre und Forschung bieten können und das ist bei einem Massenbetrieb nicht möglich.

phaeluxx: Warum wird der Abschluss eines Bachelorstudiums von der Regierung als vollwertiger Abschluss angesehen - und dadurch auch als Grund zur Streichung der Familienbeihilfe angegeben, obwohl es de facto keinen Arbeitsmarkt dafür gibt?

Beatrix Karl: Ich habe gemeinsam mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl eine Initiative gestartet, um den Bachelor in der Wirtschaft bekannter zu machen. Die Akzeptanz des Bachelor in der Wirtschaft ist sehr unterschiedlich. Das ist ähnlich wie die Einführung des Magistertitel vor einigen Jahren.

shepherd: Wenn Präsenzdiener und Zivis eh eine Ausnahmeregelung erhalten (die ja auch jedesmal geprüft und verwatet werden muss, von jemandem, der dafür bezahlt werden muss, in einem Büro, das Kosten verursacht), rechnet sich der Auswand dann eigentlich noch

Beatrix Karl: Für Präsenz- und Zivildiener gab es schon bisher eine Ausnahmeregelung. Es verursacht keine zusätzlichen Kosten.

Gasquet: Sehr geehrte Fr.Karl, würden Sie heutzutage noch gerne studieren?

Beatrix Karl: Ja natürlich auch wenn sich im Vergleich zu meiner Studienzeit vieles verändert hat. Vielleicht würde ich mich heute für ein anderes Studium entscheiden, weil ich einen besseren Überblick über die Studienmöglichkeiten bekommen habe. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich mich heute für ein MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) Fach entscheiden würde. Dafür sprechen die sehr guten Studienbedingungen und Berufsaussichten.

Servus nach Österreich: Sie haben vorhin gesagt, dass „natürlich auch finanzielle mittel“ für die anbindung der forschungsinstitute an die unis vorgesehen sind. Woher kommen diese mittel? Wieviel ist es? Und werden damit alle institute bedacht oder nur einige?

Beatrix Karl: Nächstes Jahr stehen mindesten 4 Millionen Euro zur Verfügung, wer davon wieviel bekommt wird das Ergebnis der laufenden Gespräche sein.

Pareidolic: Was halten Sie von den Modellen in Dänemark und Schottland, wo mittels finanzieller Unterstützung versucht wird, Schulabgänger zum Studieren zu bringen, anstatt sie mit Aufnahmetests und finanziellen Aufwänden davon abzubringen?

Beatrix Karl: Es gibt auch in Österreich Studienbeihilfen. Aufnahmeverfahren gibt es in fast allen europäischen Ländern, so gibt es z.B. in Finnland ein doppeltes Aufnahmeverfahren, nämlich einen Numerus Clausus und Aufnahmeprüfungen an den Universitäten.

naj_wolf: Es sind auch Kürzungen bei der Dauer und beim Lohn von Rechtspraktikanten geplant. Wieso soll man als fertiger Jurist nach über 16 Jahren Ausbildung mit 1000€ netto abgespeist werden? Sie als Juristin kennen doch sicher den wichtigen Beitrag von Rec

Beatrix Karl: Die Mindesstudienzeit für ein Jusstudium beträgt 8 Semester. Eine 16-jährige Ausbildung erscheint mir sehr lange. Die Festlegung des Gehalts für Rechtspraktikanten fällt nicht in meine Kompetenz. Der wichtige Beitrag von Rechtspraktikanten für unser Justizsystem ist mir natürlich bewusst.

Loonquawl: Sie sagten vorhin die Studienzeit vieler Studien wurde auf 3 Jahre reduziert. Sehen sie einen Bachelor Abschluss als ernsthaften Studienabschluss an? Die Wirtschaft tut dies aus eigener Erfahrung nicht.

Beatrix Karl: Der Bachelorabschluss ist ein akademischer Abschluss, das steht für mich außer Zweifel. Die Akzeptanz in der Wirtschaft gilt es noch zu verbessern, daran arbeite ich gemeinsam mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl.

EricTheRed: Was halten sie von der Diskreditierung der Geistes- und Sozialwissenschaftler, die oftmals als "zukünftige Arbeitslose" etc. bezeichnet werden, eine Debatte, die sie mit ihren Aussagen auch schüren? Sind unterschiedliche Studien wertvoller bzw. weni

Beatrix Karl: Geistes- und Sozialwissenschaften sind natürlich wichtig und von unseren Universitäten nicht wegzudenken. Tatsche ist aber, dass die Berufsaussichten von Absolventen eines MINT-Faches in der Regel besser sind.

mit_abstand: Als Forscher in Österreich braucht man einen Hang zum Masochismus. Wieso ist das in anderen Ländern nicht so?

Beatrix Karl: Ich war selbst 18 Jahre lang Forscherin und bin überzeugt davon, dass man in erster Linie Leidenschaft für sein Forschungsgebiet braucht.

S H7: Warum wollen Sie unbedingt einen hohen Anteil an privaten Forschungsgeldern? Bereits jetzt nimmt die Grundlagenforschung schaden, da nur noch Projekt von Firmen angenommen und unterstützt werden!

Beatrix Karl: Wie alle internationalen Vergleiche zeigen hinken wir bei der privaten Beteiligung nach. Nicht umsonst empfiehlt etwa die OECD die Erhöhung der privaten Beteiligung an der Hochschulfinanzierung. Die Hochschulen profitieren von den Kooperationen mit der Wirtschaft, auch durch einen stärkeren Praxisbezug. Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft sind für beide ein win-win-Situation.

der zufall: Sie haben die Frage nicht beantwortet, woher die Mittel kommen, die für die Anbindung der außeruniversitären Institute zur Verfügung stehen. Sind sie Teil der 80 Millionen, um die das Budget der Universitäten aufgestockt wird, oder handelt es sich t

Beatrix Karl: Das sind Mittel aus dem Basissubventionstopf.

Peter Gruber: Warum verkaufen Sie die von Ihnen gewünschten Studiengebühren nicht damit, dass sie die Studenten einen Rechtsanspruch auf gewisse Leistungen (Laborplatz, Prüfungstermine ...) gewähen?

Beatrix Karl: In diese Richtung ist ja mein Vorschlag gegangen, dass Studierende nur für jene Lehrveranstaltungen und Prüfungen zahlen, die sie auch absolvieren. Das heißt, man zahlt nur für die Leistung die man auch in Anspruch nimmt. Kommt man z.B. in ein Seminar nicht hinein, zahlt man auch nicht. Ein solches Modell käme vor allem den berufstätigen Studierendne zugute.

Pareidolic: Wäre es nicht klug gewesen diese Anbindung der privaten Institute an die Universitäten zusammen mit den Instituten zu planen anstatt im Oktober plötzlich und ohne Vorwarnung die Mittel radikal zu streichen?

Beatrix Karl: Es werden derzeit mit allen Einrichtungen die entsprechenden Gespräche geführt, um gemeinsam die jeweils beste Lösung zu finden.

ranagn: Sind Sie der Meinung, dass Universitäten für die Ausbildung von Arbeitskräften zuständig sind, oder eine Wissenschaftliche Bildung ermöglichen sollten? Sie sind ja schließlich Wissenschaftsministerin.

Beatrix Karl: Universitäten müssen beides und können beides. Die Studierenden brauchen eine gute Ausbildung und Bildung. Die wissenschaftliche Bildung wird durch die forschungsgeleitete Lehre sichergestellt. Eine Ausbildung brauchen und wollen die Studierenden um für den Arbeitsmarkt best möglich vorbereitet zu sein.

ModeratorIn: Wir bedanken uns bei den UserInnen für die vielen Fragen, von denen leider nur ein Bruchteil gestellt werden konnte und bei Ministerin Karl fürs Kommen - leider sind wir schon am Ende der Chatzeit angekommen.

Beatrix Karl: Vielen Dank für die vielen interessanten Fragen. Wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!