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Die Regierungschefs der G-20, gezeichnet vom koreanischen Künstler Sion Khan. Die G-20 tagen Donnerstag und Freitag, weitere Proteste in Seoul sind programmiert.

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Die Staats-und Regierungschefs der G-20 suchen auf ihrem Gipfeltreffen in Südkorea nach einem Ausweg aus dem seit Wochen schwelenden Währungsstreit. Ökonomen halten rasche Lösungen für ausgeschlossen.

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Barack Obamas Berater haben es dieses Jahr einfach. Auf den Spickzetteln, den sie ihrem Präsidenten für das Treffen der Regierungschefs der G-20 in Seoul mitgeben, müssen sie nur die Zahl 27,8 rot markieren. Mehr braucht Obama nicht zu wissen, um sein Hauptanliegen vorzutragen. 27,8 Milliarden Dollar betrug das US-Handelsdefizit mit China im September. Die Chinesen fluteten den US-Markt mit CD-Playern, Textilien und Spielzeug, die Amerikaner schickten im Gegenzug nur ein paar Maschinen.

In den vergangen Wochen ist der Streit um die globalen Handelsungleichgewichte eskaliert. Die USA werfen China vor, den Yuan aus Wettbewerbsgründen schwach zu halten. Die EU attackiert die billige Geldpolitik der Notenbank Fed. Die Japaner sorgen für Aufregung, weil sie mit Verkäufen ihren Yen schwächten.

Die G-20 wollen einen politischen Ausweg aus dem anbahnenden Währungskrieg suchen. Geht es nach Rolf Langhammer, dem Vizepräsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, werden sie dabei gründlich scheitern. "Zu groß sind die globalen Ungleichgewichte, zu tief ihre Ursachen" , sagt er.

Die globalen Handelsungleichgewichte explodieren seit Mitte der 90er-Jahre. Lässt man Erdölexporteure wie Saudiarabien und Russland beiseite, sind China und Deutschland die großen Überschussländer. Die anderen, allen voran die USA, aber auch Indien, Frankreich, Kanada und Brasilien, kämpfen mit mehr oder weniger gewaltigen Defiziten. Für Kritiker steht fest, dass Deutschland und China nur Exportweltmeister werden konnten, weil sie den Wettbewerb verzerren. Die Deutschen über billige Löhne, die Chinesen über den schwachen Yuan.

Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit, sagen Langhammer und seine Kollegen. Denn die Exportweltmeister sind nicht nur so erfolgreich, weil sie einen Preisvorteil nutzen. Beispiel Deutschland: Kein Land in Europa verzeichnet derzeit einen solchen Aufschwung beim Export, allein die Ausfuhren nach China sind um 60 Prozent gestiegen. In vielen Sektoren verkaufen deutsche Produzenten wie Siemens, Bosch und Co. so viel, weil sie fast konkurrenzlos arbeiten, sagt der deutsche Ökonom Henning Klodt. Deutschland habe seine Industrie nicht so wie Frankreich absterben lassen und traditionelle Zweige stets gepflegt. "Wir wurde früher kritisiert, weil wir nur Maschinen und nicht Mikroelektronik herstellen" , sagt der Wirtschaftswissenschafter Klodt. "Nun stellt sich heraus, dass der Bedarf nach Maschinen groß ist und Mikroelektronik zu einem Allerweltsprodukt geworden ist."

Deutsche Autobauer wie BMW waren zudem oft vor ihren Konkurrenten in Asien. Auch China profitiert nicht allein vom billigen Yuan. Zwischen 2005 und 2008 hat der Yuan aufgewertet, ohne dass die chinesischen Einfuhren nach Amerika zurückgegangen wären. "Die Chinesen konnten den US-Markt nur erobern, weil die US-Industrie darniederliegt" , sagt auch der Berkeley-Professor Stephen Cohen. Die US-Betriebe hätten Produktion ausgelagert oder zugesperrt. Zudem stimmt die Qualität der Produkte Made in Amerika oft nicht mehr, sagen die Wirtschaftsforscher aus Kiel. Die USA haben zu wenig in Bildung investiert, ihre Produkte seien oft nicht am neuesten Stand: "Deswegen wollen Leute lieber VW als GM."

Indien wiederum häuft Rekorddefizite an weil seine Wirtschaft im Gegensatz zu China wenig diversifiziert ist, außer Landwirtschaft und IT gibt es wenig.

Diese tiefgreifenden Ungleichgewichte lassen sich politisch kaum lösen. Die Idee von US-Finanzminister Timothy Geithner, Leistungsbilanzüberschüsse- und Defizite auf vier Prozent des BIP zu beschränken, wird durch die Bank abgelehnt. Berlin und Peking wollen keine milliardenschwere Ausgleichszahlungen leisten. "Außerdem hat die Idee den Nachteil, dass Schuldenstaaten dann wenig Interesse daran hätten ihre Defizite abzubauen" , sagt Brigitte Unger von der Wirtschafts-Uni Utrecht.

Die Alternative, dass die Schuldenmacher sparen und damit den gesamten Konsolidierungsbedarf tragen, lehnt Washington ab.

Eine andere Idee ist, dass China und Deutschland anfangen mehr zu konsumieren, um Exporte in andere Länder zu stärken.

Allerdings konsumiert China bereits auf "Teufel komm raus" , meint Langhammer. Tatsächlich wird international wenig beachtet, dass nicht nur Chinas Ausfuhren im Rekordtempo wachsen, sondern auch die Einfuhren. Geisterstädte und verwaiste Autobahnen seien der beste Beleg für Chinas Entwicklungsdrang, sagt der Kieler Ökonom. "Den Konsum in kurzer Zeit weiter hochzufahren, stößt aber an planerische und gestalterische Grenzen."

Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass die Ungleichgewichte im Handel in den kommenden Jahren zunehmen werden, nachdem sie als Folge der Krise zurückgegangen sind. Ist ein Währungskrieg unvermeidlich? Langhammer geht sogar einen Schritt weiter und warnt von einem Handelskrieg. Wie die Statistiken der WTO zeigen, haben sich Staaten mit der Auferlegung von Handelsbeschränkungen zuletzt zurückgehalten. Aber so müsste es ja nicht immer bleiben. András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.11.2010)