Prishtina/Wien - Der Anfang vom Ende wurde schon vor einem Jahr nach ein paar Drinks in dem Lokal Zanzibar in Prishtina ausgeheckt. Damals beschloss die Demokratische Partei (PDK) unter Premier Hashim Thaçi die Koalition mit der Demokratischen Liga (LDK) zu beenden. Und zwar per SMS. Die Zanzibar-Affäre löste eine kurze aber heftige Regierungskrise aus, bis die "Internationals" (den größten Einfluss auf die kosovarische Führung übt die US-Botschaft aus) die Politiker wieder zur Räson riefen. Doch das Misstrauen war da bereits gesät.

Nun, ein Jahr danach, finden nicht nur die ersten - um ein halbes Jahr vorgezogenen - Parlamentswahlen seit der Unabhängigkeit des Kosovo im Jahr 2008 statt, mit ihnen wird auch eine neue Ära in der Nachkriegsgeschichte des jungen Landes beginnen. Denn die PDK und die LDK unter ihrem neuen Chef, dem Bürgermeister von Prishtina, Isa Mustafa, werden nach der Wahl am 12. Dezember keine große Koalition mehr eingehen. Laut Umfragen liegt die PDK mit etwa 30 Prozent vorne. Thaçi dürfte eine Koalition mit der AKR des reichen kosovarisch-schweizerischen Bauunternehmers Behgjet Isa Pacolli und Abgeordneten der Minderheiten eingehen.In dem Fall ist mit einer starken Opposition zu rechnen, was einen neuen Demokratisierungsschub auslösen könnte, weil auch die Rolle des Parlaments gestärkt würde. Analysten wie Krenar Gashi von der NGO Kipred sprechen von einer "neuen politischen Ära".

Rugova-Partei in der Krise

LDK-Chef Mustafa (er löste Ex-Präsident Fatmir Sejdiu vergangenes Wochenende an der Spitze ab) wird zwar keine Revolution zugetraut, doch der Wirtschaftsprofessor gilt als Reformer und nicht korrupt. Viele Kosovaren haben gerade wegen Korruptionsvorwürfen das Vertrauen in die erste kosovo-albanische Partei, die ab 1989 dem Regime von Miloseviæ trotzte, verloren.

Doch auch nach dem peinlichen Abgang von Sejdiu kommt die LDK nicht zur Ruhe. Der Sohn des verstorbenen LDK-Gründers und späteren Präsidenten Ibrahim Rugova, Uke Rugova sorgte am Mittwoch für einen Schock, als er ankündigte mit seiner Liste "LDK Ibrahim Rugova" gemeinsam mit der AAK, der Partei von Ex-Premier Ramush Haradinaj anzutreten. Haradinaj wird gerade zum zweiten Mal in Den Haag der Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht. Der Umgang des Sohnes mit dem Erbe des Vaters zeigt, dass die Spaltung in der LDK tief geht. Das dürfte vor allem der PDK nutzen.

Verwaltungsministerin Edita Tahiri, die die LDK 2004 wegen der Korruption verließ, sieht in den internen Querelen aber auch Reformpotenzial: "Nach dem Krieg als die Demokratisierungschancen groß waren, wurden wir von den Internationals regiert, die die Stabilität vor die Demokratie gereiht haben. Davon haben vor allem die Parteiführer profitiert, aber die Demokratie wurde beschädigt", sagt sie zum Standard.

Tahiri hofft, dass Frauen von der erhofften Demokratisierung profitieren: "Vor dem Krieg waren wir ziemlich aktiv, danach wurde die Machtpolitik wichtiger und wir wurden zur Seite geschoben." Immerhin gibt es im Kosovo eine 30-Prozent-Quote für Frauen im Parlament. Für Spannung sorgt jedenfalls die Kandidatur von Albin Kurti, dem schärfsten Kritiker der "Internationals" von der Bewegung "Selbstbestimmung".

Insgesamt ist die Wahl wegen der kurzen Vorbereitungszeit nicht unumstritten. Beobachter meinen, dass die Privatisierung der Post- und Telekom für den Termin eine Rolle spielte. Bisher hat das Parlament, die Privatisierung verhindert, die Regierung braucht aber Geld für den Bau der geplanten Autobahn. Der Auftrag ging an das amerikanisch-türkische Konsortium Bechtel-Enka. (Adelheid Wölfl, STANDARD-Printausgabe, 12.11.2010)