Ein Stelldichein in Carlton Gardens: William Hague und sein österreichischer Amtskollege Michael Spindelegger berieten am Donnerstag Balkan-, Sudan- und EU-Fragen

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Regen und strahlender Sonnenschein wechseln sich über Carlton Gardens beinahe halbstündlich ab. Das Ambiente ist imperial, der Gastgeber gutgelaunt. Der britische Außenministers William Hague gibt in seiner Londoner Residenz ein Arbeitsessen zu Ehren seines Amtskollegen Michael Spindelegger. Man plaudert über den Balkan, die gemeinsamen Sudan-Aktivitäten kommende Woche bei der Uno in New York, Nahost und den Atomstreit mit dem Iran. Und immer schwebt die Frage im Raum, wie es denn die neue britische Regierung nun mit der Europäischen Union hält.

Im Wahlkampf haben die Tories unter David Cameron scharfe Töne angeschlagen. Und Hague war jahrelang einer der hartnäckigsten EU-Skeptiker unter den britischen Konservativen. Vor einigen Monaten kündigte er in einer ersten Grundsatzrede als Außenminister an, dass das Vereinigte Königreich unter der Koalition aus Tories und europafreundlichen Liberaldemokraten mehr Einfluss in Brüssel haben wolle. Eine gefährliche Drohung?

"Sind unterrepräsentiert"

Hague am Donnerstag in London: "Ach, das wurde von den Mitgliedstaaten sehr positiv aufgenommen. Wir wollen in Zukunft eine aktive, eine positive Rolle spielen. Vor allem im außenpolitischen Bereich haben wir das zuletzt gezeigt, Stichwort Iran oder Sudan." Allerdings sei Großbritannien in den europäischen Institutionen unterrepräsentiert, zu wenige britische Diplomaten täten in Brüssel Dienst. Das müsse behoben werden, denn "schließlich wollen wir eine tragende Rolle in Europa spielen". Hört, hört.

Kurz zuvor in Westminster, dem britischen Parlament. Die österreichische Freundschaftsgruppe hat eingeladen. Die Herren dort waren noch vor wenigen Monaten höchst skeptisch, was die europäische Gesinnung der neuen Regierung anging. Nun aber haben sich die schlimmsten Befürchtungen gelegt: "Vor der Wahl war ich sehr besorgt, heute bin ich überrascht, wie pragmatisch sie sind", sagt Lord Grenfell, Mitglied der Labour Party und des House of Lords. Das Schlimmste sei nicht eingetreten, die Koalition habe einen guten Start erwischt.

Koalition "schleift schärfste antieuropäische Spitzen ab"

Auch Angus Robertson von der Scottish National Party, in einem früheren Leben einmal Moderator bei Blue Danube Radio in Wien, pflichtet bei und erklärt: "Die Koalition hilft, die schärfsten antieuropäischen Spitzen abzuschleifen. Sie ist für die Tories eine gute Entschuldigung gegenüber ihren Hinterbänklern." Denn viele der konservativen Abgeordneten in Westminster seien neu gewählt, und etwa die Hälfte davon trete dafür ein, der EU umgehend den Rücken zu kehren. Robertson: "Sie haben den europaskeptischsten Abgeordneten zum EU-Ausschussvorsitzenden gemacht. Es muss sich weisen, ob das eine Katastrophe oder ein kluger Schachzug war."

Das Schwierigste, sagt Lord Grenfell, sei der Wählerschaft zu hinterbringen, dass die EU dem Steuerzahler natürlich etwas koste, aber dass diese Kosten viel höher wären, wenn Großbritannien nicht dabei wäre. Premier Cameron jedenfalls hat zuletzt eine Budgetdebatte in Brüssel vom Zaun gebrochen. Die Ausgaben der Union sollen für 2011 um nicht mehr als 2,91 Prozent erhöht werden. 13 Staaten, darunter Österreich, teilen diese Position.

Wo es dagegen unterschiedliche Ansichten gibt, ist der EU-Beitritt der Türkei. Hague: "Wir sind für Plan A", also einen Vollbeitritt und keine privilegierte Partnerschaft. Das hindert den Außenminister allerdings nicht daran, auf Spindeleggers Einladung im Juni nach Wien zu kommen und beim World Economic Forum für die Balkan- und Schwarzmeer-Region eine Keynote Speech zu halten. Da wird die Türkei wohl wieder prominentes Thema sein. (Christoph Prantner aus London, STANDARD-Printausgabe, 12.11.2010)