Eine Installation in der Kishon-Galerie in Tel Aviv zeigt eine lebensgroße Nachbildung von Ariel Sharon im Krankenbett

Foto:

Die Chance, dass er wieder aufwacht, gilt nach wie vor als fast null, doch als ehemaliger Premier wird Ariel Sharon noch immer mit großem Aufwand behandelt und beschützt. Am Freitag wurden die Israelis wieder an den bis zu seinem Zusammenbruch so populären und dominanten Politiker erinnert, als er nach fast fünf Jahren erstmals aus dem Spital nach Hause geschickt wurde. Im Morgengrauen fuhr der Ambulanzwagen vom Tel-Haschomer-Krankenhaus bei Tel Aviv zur Sykomoren-Farm in Südisrael, wo die Familie Sharon Rinder und Schafe züchtet. Der 82-jährige Sharon soll zunächst versuchsweise jeweils an Wochenenden auf die Farm gebracht werden. Ärzte und Angehörige hoffen, dass die vertraute Umgebung stimulierend wirken könnte.

"Sharon braucht 24 Stunden am Tag Pflege durch Krankenschwestern und ständige Aufsicht durch einen Arzt, der mit dem Fall vertraut ist", sagte Spitalsdirektor Seev Rothstein, "das wird auch auf der Farm fortgesetzt werden müssen." Am 4. Jänner 2006 war Sharon mit massiven Gehirnblutungen eingeliefert worden. Mehrere Notoperationen retteten sein Leben, doch bald war klar, dass er aus dem Koma nicht mehr erwachen würde. Die beiden Söhne Omri und Gilad kamen fast täglich an sein Bett, und Eingeweihte berichten, dass Sharon auf gewisse Reize reagiere und manchmal die Augen öffne. Aber er muss weiterhin beatmet und künstlich ernährt werden. Der jährliche staatliche Zuschuss von rund 320.000 Euro für die medizinische Versorgung wurde erst vor wenigen Tagen abermals bewilligt.

Militärischer Haudegen

Als militärischer Haudegen, Likud-Verteidigungsminister im ersten Libanonkrieg und Schirmherr der Siedlerbewegung war Sharon lange umstritten gewesen. Als schon 76-jähriger Premier am Höhepunkt seiner Macht verblüffte der frühere rechte Falke dann Freund und Feind, als er plötzlich die Richtung wechselte. Er setzte Israels Abzug aus dem Gazastreifen durch und verließ den Likud, um durch die Gründung der Zentrumspartei Kadima Israels politische Landschaft zu verändern. Sharons Wiederwahl galt als sicher, doch mitten im Wahlkampf stoppte ihn der Gehirnschlag.

Nach Wegen, zu den Verhandlungen mit den Palästinensern zurückzufinden, suchten indessen Israels Premier Benjamin Netanjahu und US-Außenministerin Hillary Clinton in New York. Eine Lösung wurde offenbar noch nicht gefunden, aber die mit fast sieben Stunden außergewöhnliche Länge der Begegnung wurde als positives Zeichen gewertet. Die Verhandlungen waren kurz nach ihrem Beginn im September zusammengebrochen. Die USA sollen Israel nun Sicherheitsgarantien als Gegenleistung dafür angeboten haben, dass Israel den Stopp des Siedlungsausbaus verlängert. Netanjahu will ohne Vorbedingungen weiterverhandeln, die Palästinenser beharren auf dem Baustopp. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, STANDARD-Printausgabe, 13./14.11.2010)