St. Gallen - Bei Männern mit Prostatakrebs werden oft die Sexualhormone unterdrückt, um das Wachstum des Tumors aufzuhalten. Doch diese häufig verwendete Therapie erhöht das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, wie Forscher des Kantonsspitals St. Gallen herausgefunden haben. Die Wissenschafter um Silke Gillessen vom Kantonsspital St. Gallen benutzten für ihre Studie die Daten von rund 108.000 Männern aus den USA, bei denen von 1993 bis 2002 die Diagnose Prostatakrebs gestellt worden war. Zudem war der Gesundheitszustand der Männer bis ins Jahr 2004 erneut kontrolliert worden.

Wie die Forscher im Fachmagazin "The Journal of The National Cancer Institute" berichten, hatten jene Patienten, bei denen der Testosteronspiegel gezielt gesenkt worden war, ein deutlich erhöhtes Darmkrebsrisiko. Mögliche Störfaktoren wie Alter oder sozioökonomischer Status des Patienten rechneten die Forscher heraus. Besonders hoch war das Darmkrebsrisiko bei Patienten, denen die Hoden mittels einer Operation entfernt worden waren. Das sei eine alte Methode, um die männlichen Sexualhormone zu unterdrücken, sagte Gillessen. Heute würden meist Hormone verschrieben, welche die körpereigenen Produktion der Androgene für eine bestimmte Zeit lähmt.

Risiko steigt mit Dauer der Therapie

Von 1.000 Männern mit einer operativen Kastration entwickeln laut der Studie im Schnitt 6,3 innerhalb eines Jahres Darmkrebs. Bei der chemischen Kastration sind es 4,4 pro 1.000 Patienten und Jahr, bei Krebspatienten ohne Hormontherapie dagegen nur 3,7. Das Risiko stieg umso stärker an, je länger die Hormontherapie dauerte. Laut den Forschern zeigt die Studie, dass Ärzte die Vor- und Nachteile der Hormontherapie bei Prostatakrebs gut gegeneinander abwägen sollten. Die Therapieform war schon bisher umstritten: Sie kann nämlich auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen haben wie Knochenschwund, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes.

Die Studie stellt aber die Therapie nicht grundsätzlich infrage. In manchen Fällen verlängere die Hormonbehandlung nachweislich die Überlebenszeit von Prostatakrebspatienten, sagte Gillessen. Bei fortgeschrittenen Tumoren mit Ablegern etwa gehöre sie zur Therapie der Wahl. Das Darmkrebsrisiko müsse aber im Auge behalten werden. (APA)