Ganz plötzlich haben die Wiener ihre Liebe zu kurz gebratenem Fleisch entdeckt. Seit Markus Artner in seinem Restaurant in Wien-Wieden einen katalanischen Holzkohlenofen der Edelmarke Josper (Preis samt Abluft: wie ein gut ausgestatteter Mittelklasse-Mercedes) installieren hat lassen, rennen ihm die Gäste die Bude ein, um zart rauchig gegrillte Steaks zu verkosten. Auch andere Gastronomen planen, Steakrestaurants zu eröffnen - in einer Stadt, die ihr Rindfleisch seit jeher lieber grau gesotten genießt, ein wagemutiges Unterfangen. Dennoch hat Artner nun auch am Franziskanerplatz einen solchen Luxusgrill installiert.
Der bestreitet nun auch den größten Teil der durchaus luxuriös kalkulierten Karte. Jakobsmuscheln überzeugen durch zarten Rauchton und sanften, süßen Naturjus - die Beilage aus Kürbispüree mit massiv gesäuerten Kürbisstücken wirkt aber so ungeschlacht, als wäre sie explizit abkommandiert, um einem die Freude an der Muschel zu verderben.
US-Beef und Wagyu-Filet
Abstimmungsprobleme gibt es auch bei gebratenem Ziegenkäse im Wacholderspeckmantel mit Maronicreme und Spitzkraut aus dem Edelofen: Letzteres ist von zart knackiger Delikatesse und subtilem Rauchton, auch Maronipüree passt gut dazu - das aggressive Kamin-Aroma des Wurzelspecks aber raubt der Kombination alle Finesse - schade.
Nach Florian Cmyral vom "Salut" bietet nun auch Artner trocken gereiftes Steak an, das nicht im Vacupack dünsten musste. Nicht in Frankreich oder den USA geübte Gaumen überrascht es mit festem Biss, aber auch prachtvoll konzentriertem Geschmack. Die gängig gereifte Variante aus dem Plastik gibt es freilich auch, außerdem noch US-Beef und sogar Wagyu-Filet aus Australien (die Portion um EURO 100 ohne Beilagen). Aber auch so ein trocken gereiftes Austro-Beiried kommt samt Beilagen schnell einmal auf 36 Euro. Um dieses Geld sollte der Koch die Garstufe aber doch einigermaßen im Griff haben - das gelingt im Artner auf der Wieden einstweilen noch ganz eindeutig besser. (Severin Corti/Der Standard/rondo/12/11/2010)