Auf die Burgenländer, sagt deren Landeshauptmann, schauen immer noch am besten die Burgenländer selber.

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Standard: Die Bundesregierung hat sich sehr lang Zeit gelassen mit ihrem Sparpaket. War das jetzt der große Wurf?

Niessl: Ich gehe davon aus, dass es Nachbesserungen geben wird. Gerade im Bereich der Familien ist es notwendig, die Einsparungen zu reduzieren.

Standard: Allerdings ist unbestritten, dass dieses Budget drastische Einsparungen wird bringen müssen. Wo sollen diese stattfinden?

Niessl: Alle - also Länder, Bund, aber auch die Gemeinden - müssen sich bei ihren jeweiligen Budgets etwas überlegen müssen. Es geht dabei nur um die Prioritäten. Und deshalb bin ich froh, dass das Sparpaket zu etwa einem Drittel von Banken, Spekulanten, Vermögenszuwächsen getragen wird.

Standard: Beziehungsweise von deren Kunden.

Niessl: Es ist selbstverständlich, dass das nicht an die Konsumenten weitergegeben werden kann. Durch die Gruppenbesteuerung zahlen die Banken relativ wenig Steuer. Und wenn sie nun in einer äußerst moderaten Form zu Kasse gebeten werden und dann sagen, das zahlen eh die Konsumenten, dann ist das nicht in Ordnung

Standard: Sie können aber nur appellieren. Allfällige Sanktion gibt es ja nicht.

Niessl: Man wird veröffentlichen, welche Gebühren die Banken verrechnen. Und dann werde die, die höhere Gebühren haben, einen Wettbewerbsnachteil haben.

Standard: Die Bankensteuer ist nur ein Teil des Sanierungspakets. Was überhaupt nicht angegangen wurde, ist die Verwaltungsreform. Wäre es nicht hoch an der Zeit, das endlich anzugehen?

Niessl: Man muss grundsätzlich sagen, dass die Länder im Bereich der Verwaltungsreform ja permanent einiges tun. Im Burgenland zum Beispiel haben wir jetzt um 100 Mitarbeiter weniger als vor vier Jahren. In den nächsten vier Jahren werden wir um weitere 100 Mitarbeiter weniger haben. Wir haben unsere Baudirektion geschaffen. Und wir haben viele Voraussetzungen für eine Bildungsdirektion geschaffen.

Standard: Stichwort Bildung. Da ist zuletzt zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen zwischen Bund und den Länder um die Zuständigkeit für die Lehrer.

Niessl: Ich habe einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, nämlich dass die Gesetzgebung beim Bund ist und dass über die mittelbare Bundesverwaltung die Länder diese Gesetze umsetzen. Das hat nichts mit neun verschiedenen Bildungssystemen zu tun. Da geht es um einen einheitlichen Lehrplan, ein einheitliches Dienstrecht, einheitliche Qualitätskriterien. Andererseits ist es wichtig, auf regionale Besonderheiten einzugehen. Die sprachlichen Schwerpunkte zum Beispiel sind am Neusiedler See andere als am Bodensee

Standard: Die Debatten rund um eine Bundesstaatsreform, also ein Überdenken der föderalistischen Struktur, laufen seit dem Jahr 1992. Sollt man da nicht endlich auch zu einem Ergebnis kommen?

Niessl: Es geht darum, zur besten Qualität zu kommen: Bildung, effiziente Verwaltung, Bürgernähe. Dann muss man sich fragen, wie man das erreicht. Und da bin ich bei weitem nicht der Überzeugung, dass wir das alles zentralisieren sollten. Es gibt welche, die das wollen, weil sie glauben, dass es dann billiger und besser wird. Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir müssen - und darauf läuft mein Vorschlag im Bildungsbereich hinaus - zu einem Kompromiss kommen.

Standard: 18 Jahre sind für eine Kompromissfindung eine doch lange Zeit. Woran ist das gescheitert?

Niessl: Weil auf Bundesebene manche für die totale Zentralisierung sind und manche auf Länderseite auch extrem regionalistisch, im Bildungsbereich Vorstellungen haben, die in Richtung verschiedene Bildungssysteme gehen. Die Verständigung zwischen diesen Extremstandpunkten ist nicht gelungen.

Standard: Ähnliches scheint ja auch den Gesundheitsbereich zu blockieren. Wie stehen Sie zum Vorschlag des Gesundheitsministers, die Spitalsverwaltung zu zentralisieren?

Niessl: Ein Beispiel: 2001 haben wir einen Rechnungshofbericht bekommen, in dem ausgeführt wurde, dass das Krankenhaus Kittsee durch die Nähe zu Hainburg eigentlich keine Bedeutung mehr hat. Wir haben uns sehr ernsthaft damit auseinandergesetzt. Wir haben in Kittsee investiert, eine Kooperation mit Eisenstadt geschaffen. Und heute haben wir in Kittsee das einzige Krankenhaus Österreichs, das eine Grundversorgung hat und eine schwarze Null schreibt. Gibt es jemanden, der glaubt, dass der Bund das besser könnte?

Standard: Ich nehme an, der Gesundheitsminister tut das.

Niessl: Die Gesundheitsökonomen würden wohl sagen: Das Burgenland hat 280.000 Einwohner, da brauchen wir nur zwei Schwerpunktspitäler. Das kommt raus, wenn man zentralisiert und rein die Gesundheitsökonomen fuhrwerken lässt. Aber der springende Punkt ist doch: Es macht einen Unterschied, ob ich bei einem Herzinfarkt in 15 Minuten in einem Krankenhaus bin, oder ich fahr eine Stunde ins nächste Schwerpunktkrankenhaus. Genau deshalb stehen wir zu unseren fünf Spitälern im Burgenland. Wir nehmen Umstrukturierungen, Einsparungen vor. Aber die Standorte sollen erhalten bleiben. Der kurze Weg für ein langes Leben, das ist unser Motto.

Standard: Sie haben sich jetzt höflicher ausgedrückt als der niederösterreichische Landesrat Sobotka, der gemeint hat, Gesundheitsminister Stöger, ein Parteifreund von Ihnen, denke nicht nach, sondern rülpse bloß. Inhaltlich stimmen Sie mit ihm aber offenbar überein.

Niessl: Im Sachpolitischen und bei föderalen Strukturen geht es mir primär nicht um Parteiinteressen. Mir geht es ums Burgenland. Denn wer schaut auf die Burgenländer besser als die Burgenländer selber? Was zum Beispiel interessiert einen Ministerialrat in Wien die Maturantenquote im Burgenland? Die ist mittlerweile ja die höchste in ganz Österreich. Und bei den Krankenanstalten ist das ähnlich. Da haben wir die gleiche Meinung wie die Niederösterreicher. Dazu stehen wir, das hat mit Parteipolitik nichts zu tun.

Standard: Unabhängig von Parteiinteressen sind aber auch die im Föderalismus schlummernden Sparpotentiale. Schätzungen reichen da von jährlich 3,5 bis zu sechs Milliarden. Ist das nicht ein Argument, da endlich anzusetzen?

Niessl: Woraus setzen sich diese Summen zusammen? Natürlich habe ich da am Grünen Tisch die Gesundheitsökonomen, Neoliberale, die leicht berechnen können, was wir uns sparen, wenn wir nur zwei statt fünf Krankenanstalten haben. Dann gibt es aber keine kurzen Wege für ein langes Leben. Andere sagen, wir brauchen die Bezirkshauptmannschaften nicht. Aber das ist die Bürgernähe. Und auf deren Kosten soll gespart werden? Klar kann man alles berechnen: 280.000 Einwohner - da reichen weniger Verwaltungseinheiten, weniger Spitäler, weniger Schulen, weniger Pflegeheime. Die Folge wäre, dass der ländliche Raum noch weiter zerstört wird. Wenn man das alles, nach Polizei und Postämtern, auch noch herausnimmt. Was bleibt dann vom ländlichen Raum noch über? (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11.2010)