Viel war nach der Wahl darüber spekuliert worden, welchen Stadtrat die Sozialdemokraten zugunsten der Grünen opfern würden. Nun traf es einen, der schon länger auf der Liste stand: Rudolf Schicker, bisher für Planung und Verkehr zuständig, musste das Ressort für die Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou räumen. Er verantwortete Großprojekte wie den Bau des Hauptbahnhofs, die nun die Grüne fliegend übernehmen muss. Natürlich wird nun spekuliert, was aus Schicker werden könnte.
Zur Disposition stünde etwa die Position des Klubchefs. Diese übernahm Siegi Lindenmayr Anfang 2009, als Christian Oxonitsch zum Bildungsstadtrat befördert wurde. Lindenmayr konnte sich in seiner Rolle bisher kaum profilieren. Dagegen spricht, dass Schicker wohl einigermaßen sauer auf die Genossen ist; als Klubchef müsste er aber die Gemeinderatsfraktion zusammenhalten.
Noch einer wurde durch die grüne Regierungsbeteiligung "degradiert": Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ist nicht mehr Vizebürgermeister. Er hatte diese Funktion nur kurz inne: Bei der Regierungsumbildung Anfang 2009 folgte er Grete Laska. Bürgermeister-Format trauen Ludwig nicht viele zu, besonders in der jüngsten Vergangenheit gab es in seinem Ressort peinliche Versäumnisse, etwa als das unter Ludwigs Ägide stehende "Wiener Wohnen" beinahe einen autistischen Halbwüchsigen und seine Familie delogieren ließ.
Grantige Antwort auf die Zukunftsfrage
Der Frage, wer Bürgermeister Michael Häupl nachfolgen soll, werden sich die Sozialdemokraten in der kommenden Legislaturperiode wohl stellen müssen. Er selbst pariert am Freitag die Frage nach seiner politischen Zukunft grantig: "Also, mich zu Beginn einer Amstsperiode zu fragen, wann ich mich schleiche, ist gelinde gesagt unhöflich."
Aus der Reihe der Stadträte wird vor allem Oxonitsch als möglicher Bürgermeister gehandelt. In diesem Fall müsste sich aber eine neue Generation der Genossen durchsetzen. Rot-Grün könnte Oxonitsch stärken, ist er doch ein Verbinder zwischen den beiden Parteien. Ein weiterer Nachfolgekandidat, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, gilt hingegen als eher großkoalitionär veranlagt.
Renate Brauner
Die letzten Verhandlungsrunden mit den Grünen hatten noch nicht begonnen, da stellte Michael Häupl eines klar: Finanz- und Wirtschaftsstadträtin würde wieder Renate Brauner sein. Die 54-jährige Ökonomin verwaltet ein Elf-Milliarden-Budget, Arbeiter- und Wirtschaftsförderungsfonds, Wien Holding (76 Unternehmen) und Stadtwerke ressortieren ebenfalls bei ihr.
"Hallöchen" und ihr Lacher sind Brauners Markenzeichen – ihr Credo der Pragmatismus: "Es hat wenig Sinn, sich bei einem Thema den Kopf blutig zu schlagen, wenn klar ist, dass es keine Mehrheit dafür gibt."
Mit Häupl ist sie seit den gemeinsamen VSStÖ-Zeiten freundschaftlich verbunden. Seit 1990 im Gemeinderat, war Brauner stets loyale Troubleshooterin: 1996, als die Haider-FPÖ bis dahin unvorstellbare 28 Prozent bekam, übernahm sie das Integrationsressort. 2004 – nach dem Lainzer Pflegeskandal – das Gesundheitsressort. 2007 machte sie Häupl zur Vizebürgermeisterin, samt Finanzressort.
Mit den Grünen hatte sie als Gesundheitsstadträtin oft Zores. Doch da die Partei Rot-Grün will, wird auch Brauner hundertprozentig dahinterstehen. (fern)
Christian Oxonitsch
Er hat lange gewartet – und gilt als rote Zukunftshoffnung. Christian Oxonitsch (48) erbte den Stadtratsjob für Bildung, Jugend und Sport vor eineinhalb Jahren von Grete Laska. Laska trat nach dem Pratervorplatz-Debakel ab. Auch der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (PID) – das wichtigste Eigen-PR-Vehikel der Rathaus-SP – gehört daher in sein Revier.
Fünf Jahre zuvor war Oxonitsch ein Platz in der Stadtregierung noch verwehrt geblieben: Ehefrau Ulli Sima wurde Umweltstadträtin, "Oxo" Klubchef – denn ein Ehepaar in der Stadtregierung war selbst der roten Familie zu viel. Inzwischen ist das Paar geschieden.
In seinen ersten Gemeinderatsjahren kümmerte sich der ehemalige pädagogische Mitarbeiter der Kinderfreunde vor allem um Planungsfragen, seine Hauptkompetenz liegt aber im Bildungsbereich. Die Grünen interessierten sich seit jeher für sein Ressort: Maria Vassilakou hatte bereits vor den Verhandlungen angekündigt, sich in Bildungsfragen einbringen zu wollen. Oxonitsch gilt als wichtiger Verbindungsmann zum Juniorpartner – nicht erst seit er mit einer Ex-Sprecherin der Grünen liiert ist. (stem)
Michael Ludwig
Michael Ludwig gilt als einer, der mit den Grünen kann. Bloß: Mit wem kann der Wohnbaustadtrat nicht? Ruhig, umgänglich, nicht aneckend: Wenn der 49-Jährige im Gemeindebau von Mietern angekeppelt wird, wirkt er vor Nettigkeit hilflos.
Politisch verankert ist der Historiker in Floridsdorf. Hier legte die FPÖ überdurchschnittlich zu. Auch "seine" Gemeindebauten sind rot-blaue Kampfzone. Die SPÖ schickte Nightwatcher und Ordnungstrupps – die Mieter wählten dennoch undankbar.
"Wohnbaupolitik ist mehr als der Bau von Wohnungen", sagte Ludwig bei seinem Amtsantritt 2007. Bei diesem "Mehr" machte er zuletzt aber keine gute Figur. Im Fall jener Familie, die ihre Gemeindewohnung räumen muss, weil sich Nachbarn durch ein autistisches Kind gestört fühlen, hieß es von seiner Seite: keine neue Gemeindewohnung für die sechsköpfige Familie. Ludwig wehrte sich auch lange dagegen, die Wohnung des Wunderteam-Spielers Hugo Meisl im Karl-Marx-Hof zum Museum zu machen – sogar Bundespräsident Heinz Fischer hatte sich dafür eingesetzt. (fern)
Sandra Frauenberger
Die Simmeringer Arbeitertochter sitzt seit dreieinhalb Jahren in der Stadtregierung. Renate Brauner holte die 43-Jährige 2001 in den Gemeinderat. Sechs Jahre später übernahm sie Integration, Frauenfragen und Konsumentenschutz von Sonja Wehsely, die ins Gesundheitsressort wechselte. Frauenbergers Karriere begann in der Gewerkschaft der Privatangestellten. Sie arbeitete sich vom Sekretariat des Vorsitzenden zur Leiterin der Bundesfrauenabteilung hoch. Als Integrationsstadträtin krempelte Frauenberger einiges um, wagte es, SP-Versäumnisse anzusprechen, und installierte eine Expertenkommission.
Heuer erschien erstmals der "Integrationsmonitor", eine Studie, die alle zwei Jahre Integration messen soll – und Defizite aufzeigte. In die rote Großfamilie hat sich die stets loyale und zurückhaltende Frauenberger in den letzten Jahren gut eingefügt. Trotz des in Wahlkampfzeiten undankbaren Ressorts Integration galt die bekennende Feministin bereits vor der Wahl als absolute Fixstarterin für die neue Regierung. Auch bei politischen Gegnern hat sie durchwegs einen guten Ruf – vor allem bei den Grünen. (stem)
Sonja Wehsely
Die alte und neue Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (40) hat ein Prestigeprojekt zu verantworten: Das 825 Millionen Euro teure Krankenhaus Nord soll in Floridsdorf bis 2015 teilweise in Betrieb gehen. Wehsely verfügt – etwa via Krankenanstaltenverbund – über die Hälfte der Mitarbeiter und ein Viertel des Budgets der Stadt. Sie war Lieblingsgegnerin der Grünen Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz – die beiden müssen sich nun wohl arrangieren.
Wehselys Biografie ist durch und durch rot. Seit 17 Jahren ist sie mit Finanzstaatssekretär Andreas Schieder zusammen. Ihre Schwester Tanja ist Gemeinderätin und war schon als Klubchefin im Gespräch.
Als ihre Mentorinnen gelten Siemens-Chefin Brigitte Ederer und Renate Brauner, von der Wehsely Anfang 2007 das Ressort übernahm. Politisch kommt sie aus der Leopoldstädter Bezirksorganisation und der Sozialistischen Jugend. 1996 zog sie in den Gemeinderat ein, 2004 wurde sie Frauen- und Integrationsstadträtin. Im Gesundheits- und Sozialressort ist sie mittlerweile sattelfest und war daher stets eine Fixstarterin in der rot-grünen Koalition. (hei)
Andreas Mailath-Pokorny
Michael Häupls Ansage, mit den Grünen regieren zu wollen, machte den Kulturstadtrat sehr glücklich. Denn nach dem Verlust der Absoluten fürchtete kein anderer Stadtrat so sehr um seinen Job wie Andreas Mailath-Pokorny: 1996 hatte die Volkspartei neben Planung schon einmal das Kulturressort bekommen. Da den Grünen aber nur ein Stadtratsposten zusteht, konnte Mailath-Pokorny aufatmen.
Der Doktor der Rechtswissenschaften ist seit 2001 in der Stadtregierung. Davor arbeitete er im Kanzleramt, zunächst als Büroleiter von Franz Vranitzky, dann als Leiter der Kunstsektion. Aus dem politischen Tagesgeschäft hält er sich meistens heraus. Er steht im Gemeinderat selten am Rednerpult und gehört nicht zum innersten Kreis Häupls.
Im Wahljahr ließ Mailath-Pokorny mit der Idee eines neuen Wien Museums aufhorchen – auch deshalb, weil er die Standortdebatte aus Angst um die rote Absolute verweigerte. Die ging trotzdem flöten – aber vom neuen Partner ist kaum Widerstand gegen den Neubau zu erwarten. Mailath-Pokorny kann die Pläne also wieder aus der Lade holen. (stem)
Ulli Sima
Rot-Grün hat Ulli Sima politisch bereits erlebt – denn begonnen hat die Umweltstadträtin bei den Grünen. 1993 kandidierte die gebürtige Kärntnerin – Großvater Hans Sima war von 1965 bis 1974 SP-Landeshauptmann – bei den ÖH-Wahlen für die Grün-Alternativen Studenten (Gras). Mit der grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig arbeitete die Molekularbiologin als Regenwald-Referentin und Gentechnik-Expertin bei Global 2000 zusammen.
1995 bewarb sich Sima für ein Nationalratsmandat der Grünen. Vier Jahre später wechselte sie zur SPÖ und wurde Umweltsprecherin im Nationalrat. 2004 ging sie als Umweltstadträtin nach Wien. Weil sie damals mit Christian Oxonitsch verheiratet war, musste der auf einen Stadtratsposten verzichten.
Die Öko-Vergangenheit spürt man in Simas Kampf gegen das slowakische AKW Mochovce: Als die EU-Kommission eine Beschwerde Wiens gegen die slowakische Umweltverträglichkeitsprüfung ablehnte, klagte Wien die Kommission beim Europäischen Gerichtshof. (fern, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11.2010)