Alexander Van der Bellen bleibt im Nationalrat und "in gewisser Weise im Rathaus". Er will im Auftrag der Stadt für die Wiener Unis und den Wisschaftsstandort Wien Lobbying betreiben.

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Standard: Wie erklären Sie eigentlich den 12.000 Wählern und Wählerinnen, die Ihnen ihre Vorzugsstimme gegen haben, dass Sie nun doch nicht nach Wien wechseln?

Van der Bellen: Ich bin ja in Wien aktiv. Mein Wahlkampf stand unter einem alles beherrschenden Motto mit einem großen Ziel: die rot-grüne Stadtregierung. Wie ich den Wahlkampf begonnen habe, hat doch keiner einen Cent auf diese Möglichkeit verwettet.

Standard: Sie offenbar auch nicht. Man hatte den Eindruck, Sie sind richtig erschrocken, als die Vorzugsstimmen plötzlich da waren.

Van der Bellen: Das war das zweite überraschende Ergebnis. Aber ich habe damals ja auch die Möglichkeit für Rot-Grün in Wien für 20:80 gehalten. Aber die 20 Prozent Restwahrscheinlichkeit lohnten sich, den Wahlkampf zu führen. Das haben ja auch meine Wähler gewusst, dafür haben sie mir ja auch die Stimmen gegeben. Und diese waren gut investiert, weil es gibt jetzt zur allgemeinen Überraschung tatsächlich eine rot-grüne Stadtregierung.

Standard: Dennoch wollten Sie wohl viele im Gemeinderat sehen.

Van der Bellen: Ursprünglich bin ich davon ausgegangen, das es nur über den Gemeinderat geht. Das Angebot von Bürgermeister Häupl, Sonderbeauftragter für Universitäten und Wissenschaft zu werden, fand ich dann eine interessante Idee. Hätte ich im Gemeinderat mehr beitragen können? So bin ich in gewisser Weise im Rathaus, wenn auch nicht in der Form, die mir ursprünglich vorschwebte. Ich hoffe, dass das meine Wähler verstehen, dass ich auf diesem Gebiet für die Stadt meinen Beitrag leiste.

Standard: Welche Visionen haben Sie für den Uni-Standort Wien?

Van der Bellen: Ich werde mit den Rektoren in Kontakt treten und schauen, wo die Stadt Prioritäten setzen muss.

Standard: Die Kompetenz liegt allerdings beim Bund.

Van der Bellen: Was der Bund in der Person von Beatrix Karl und Josef Pröll derzeit anrichtet, spottet jeder Beschreibung. Ich werde die Stadt Wien dabei unterstützen, den Standort zu wahren. Aber ich bin nicht der Schatten-Wissenschaftsminister. Meiner Wut über die Entwicklung kann ich gut im Nationalrat Ausdruck verleihen.

Standard: Ist das Koalitionsabkommen ein Erfolg für die Grünen? Die Öffi-Verbilligung kommt nicht in der geforderten Form.

Van der Bellen: Ich bin sehr zufrieden. Es ist kein Geheimnis, dass ich als Bundessprecher immer wieder Wickel mit der Landesorganisation hatte. Aber wie die sich in den Wochen vor und nach der Wahl verhalten haben - höchster Respekt. Dass man in einem Koalitionsabkommen das Wahlprogramm nicht 100-prozentig unterbringt, wissen wir ja alle. (Bettina Fernsebner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11.2010)