Nach zwei Jahrzehnten des Rückgangs schreckt ein Anstieg von Morden die Politik in der Weltmetropole New York auf: Sie sehen das Image New Yorks als sicherste Großstadt der USA in Gefahr. "Wir schlittern zurück in die falsche Richtung", warnt der Stadtverordnete Peter Vallone vor einem Rückfall in die Gewaltkriminalität von Jahren wie 1990, in denen mehr als 2.200 Menschen umgebracht worden waren. Im vergangenen Jahr wurden 471 Menschen ermordet. Vallone, der den Innenausschuss des Stadtrats leitet, macht die schlechte Wirtschaftslage für die Zunahme der Morde in diesem Jahr 15 Prozent verantwortlich. Polizei und Wissenschafter teilen die These des Politikers nicht.

"Unsere Erfahrung ist, dass eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage normalerweise gesetzestreue Bürger nicht zu Kriminellen macht", weist Polizeisprecher Paul Browne Vallones These zurück. Die Polizei sieht sich sogar als Opfer ihres eigenen Erfolges. Sie verweist darauf, dass im Gegensatz zu 1993 73 Prozent weniger Morde begangen würden. Gegenüber 2001 betrage das Minus noch 17 Prozent. "Um es in einen Zusammenhang zu bringen: Was Morde betrifft, ist das die drittniedrigste Zahl in viereinhalb Jahrzehnten", bemüht sich Polizeichef Ray Kelly um eine Einordnung. Überhaupt sei die Zahl der angezeigten Straftaten gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent zurückgegangen. 2009 war zudem das Jahr mit der niedrigsten Kriminalitätsrate.

Vom 1. Jänner bis zum 31. Oktober wurden in New York 450 Morde verübt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 390, im gesamten Jahr 471. Nach dem traurigen Höhepunkt 1990 mit 2.262 Morden sei die Zahl der Tötungsdelikte bis 1995 um die Hälfte zurückgegangen und bis 1998 noch einmal um 50 Prozent gedrückt worden. "Unsere Strategien und Maßnahmen sind unverändert wirksam", so Kelly.

Der Stadtverordnete Vallone macht eine andere Rechnung auf. Neben der schlechten Wirtschaftslage zeigten der Stellenabbau bei der Polizei und eine Lockerung der harten Gesetze etwa gegen den Besitz kleiner Mengen an Rauschgift Wirkung. "Das Pendel schwingt zurück in liberale Zeiten, als sich alles um die Behandlung und Verhätschelung von Verbrechern drehte", schimpft der Kommunalpolitiker. Die Stadt müsse sich von der Haltung verabschieden, den Krieg gegen die Kriminalität gewonnen zu haben.

Für den New Yorker Strafrechtsprofessor Andrew Karmen lassen sich Anstieg oder Rückgang von Kriminalität nicht durch einzelne Faktoren erklären. Die meisten Erklärungen seien ohnehin ideologisch oder eigennützig.

Zur Beruhigung der New-York-Reisenden: Das Gros der Gewaltverbrechen wird weitab von Touristenzentren wie dem Times Square und der Wall Street verübt. (APA)