Lächeln, allen Strapazen zum Trotz: Die Koreanerin Oh Eun-sun.

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Brixen/Salzburg - Frau Oh Eun-sun lächelt. Nicht nur, weil man in Südkorea offensichtlich auch bei der dümmsten Journalistenfrage lächelt. Nein, die Frage scheint sie wirklich zu amüsieren. Was denn überwiege, der Stolz die erste Frau zu sein, die alle Achttausender bezwungen hat, oder ist sie einfach nur froh, dass die Strapazen endlich ein Ende haben?

"Beides", sagt die zierliche 44-Jährige dem Standard, "beides, ich bin stolz, aber auch erleichtert." Wobei man das Gefühl hat, die Erleichterung, dass das Wettrennen um den Rekord ein Ende hat, überwiegt. Denn konkrete Pläne für neue Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt hat sie derzeit keine: "Ich brauche eine Pause." Froh sei sie aber auch, die Bergsteigerei bisher unverletzt überstanden zu haben. 2001 beispielsweise sei sie beim Abstieg vom K2 rund 50 Meter abgestürzt. "Das war meine gefährlichste Situation."

Die Koreanerin - beim Gipfeltreffen der internationalen SpitzenbergsteigerInnen, dem International Mountain Summit in Brixen, mangels Englischkenntnissen auf die Dolmetscherdienste mitgereister koreanischer JournalistInnen angewiesen - bestreitet übrigens gar nicht, dass es einen Wettkampf zwischen ihr, der Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner und der Spanierin Edurne Pasaban um den Achttausendertitel gegeben hat. Warum auch nicht, schließlich sei ein Wettbewerb ja auch nichts Anrüchiges.

Weniger kann Oh Eun-sun hingegen mit dem europäischen Begriff "Bergsport" anfangen. Sie wird ernst und muss einfach die EuropäerInnen aufklären: "Das Bergsteigen ist kein Sport." Wie das? "Ganz einfach", meint sie, "es fehlen die wichtigsten Dinge einer Sportart: Es gibt kein Publikum und es gibt keine Jury."

Kritiker schlecht informiert

Das mit der Jury ist so eine Sache. Beim Höhenbergsteigen fungiert die internationale BergsteigerInnengemeinde quasi als Jury. Und dort ist Oh Eun-sun nicht besonders gut angeschrieben. Vor allem ihr Gipfelerfolg am dritthöchsten Berg der Erde, dem 8586 Meter hohen Kangchendzönga, wird angezweifelt. Grund ist ein nicht eindeutiges Gipfelfoto.

Selbst die Koreanische Alpinistenvereinigung KAF erkennt Oh Eun-suns Gipfelerfolg nicht an. Für den zweiten großen Verband in Südkorea, dem Alpine Club, reicht hingegen das im Nebel geknipste Bild als Beweis aus. In der von Elizabeth Hawley in Kathmandu geführten Achttausender-Chronik steht hinter Oh Eun-suns Gipfelsieg am Kangchendzönga jedenfalls das Wort "angefochten".

Im Standard-Gespräch lächelt die derzeit erfolgreichste Höhenbergsteigerin die Kritik weg. "Ich habe gesehen, dass ich oben war. Es gibt also überhaupt keinen Grund, noch einmal zum Kangchendzönga zurückzukommen." Schließlich habe ja auch ihr Begleiter, ein Sherpa, bestätigt, dass sie den Gipfel erreicht hätten.

Und auch sonst scheint sie die massive Kritik europäischer BergsteigerInnen - allen voran der Südtiroler Hans Kammerlander - die ihr beispielsweise vorwerfen, mit Riesenteams, Helikoptern und künstlichem Sauerstoff und nur an fix montierten Seilen unterwegs zu sein, ziemlich kalt zu lassen: "Die KritikerInnen sind schlecht informiert", sagt sie knapp.

Am Everest 2004 beispielsweise habe sie "nur eine einzige Sauerstoffflasche benützt - beim Abstieg." Einen Hubschrauber, um ins Basislager zu gelangen, habe sie auch nur ein einziges Mal geordert. Fixseile seien an den Normalrouten auf allen Achttausendern zu finden, verteidigt sie sich. Oh Eun-sun lächelt. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, Printausgabe 13./14.11.2010)