Foto: Grenzenlos Kochen

Anna Priaichnikova aus Russland kocht Domlyama und Pelmeni.

Foto: Grenzenlos Kochen

"Als sein Asylantrag abgelehnt wurde, entschied er sich zur 'freiwilligen Rückkehr' in seine Heimat. Mit Hilfe eines Mikrokredits versucht er nun eine kleine Hühnerfarm aufzubauen. Mustapha fehlt uns." - Solche Zeilen sind in einem Kochbuch üblicherweise nicht zu finden, und auch in dieser Publikation sind sie etwas Besonderes. Das Buch "Grenzenlos kochen - Ein Ort schaut über den Tellerrand" überschreitet in vielerlei Hinsicht so manche Grenze.

75 verschiedene Länder

Grenzen überschreiten und Grenzen - zumindest im Kopf - loswerden, daran arbeitet der Verein Grenzenlos in St. Andrä-Wördern. In dem mittelgroßen Ort nahe Wien leben zehntausend Menschen, etwa tausend davon kommen aus fünfundsiebzig unterschiedlichen Ländern der Welt. Diese kulturelle Vielfalt unbeachtet zu lassen, kam für einige BewohnerInnen des Ortes nicht mehr in Frage. Man wollte sich kennenlernen, schloss sich zusammen, startete regelmäßige Kochabende, bis das Projekt größer und größer wurde. Mittlerweile finden gemeinsame Sommerfeste statt, auch Fußballspiele, künstlerische Werkstatt-Arbeit, Literaturabende, Deutschkurse sowie gemeinsames Gärtnern, Musizieren und Tanzen.

Selbstverständlichkeit

"Grenzenlos integriert niemanden", schreibt Anna Gruber, Präsidentin des Vereins, im Vorwort - mit dem Nachsatz: "Weil Integration für uns eine Selbstverständlichkeit ist." Der Verein, in dem Menschen verschiedenster Altersklassen, sozialer Schichten und mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln zusammenarbeiten, zeigt in seinem Jubiläumsbuch klar und deutlich, dass er nicht von dem einseitigen Ansatz ausgeht, die "Anderen" müssen sich integrieren lernen und die "Einheimischen" ihnen dabei helfen. Grenzenlos setzt auf gleiche Augenhöhe, und sieht sich schlicht als Plattform für Menschen, die Kontakte in der Gemeinde schließen möchten: Alte, Junge, "Einheimische" und "Zuagraste". Ganz automatisch kommt es dabei zu einem Austausch verschiedener Kulturen und Lebenskonzepte.

Köchin aus "Schlaraffenland"

Das Buch, in dem der Verein auf seine letzten sechs Jahre zurückblickt, ist in seiner Machart mindestens so vielfältig wie die Initiative, die dahinter steckt. Mamia Diakite aus Mali erklärt ihr Yassa-Rezept, Gabi Simon aus Niederösterreich kocht "Grobm-Dodl-Suppm" und die kleine Anna Schneider aus "Schlaraffenland" verrät ihr Rezept für Obstspieße im Schokomantel. Charmant und offen präsentiert dieses erweiterte Kochbuch neben Rezepten aus aller Welt auch die Köche, ihre Lebensgeschichten und Gedanken, sowie die Ideen, Aktivitäten und Erfolge des gesamten Vereins. Die reiche Bebilderung erlaubt einen tiefen Einblick in die gemeinsamen Aktivitäten der Bewohner von St. Andrä-Wördern, beim Durchblättern spürt man förmlich den Spaß, den die Köche und Köchinnen beim Werkeln in der Küche hatten. Dieser Austausch, menschlich und kulturell, macht Lust auf's Nachahmen - auf's Nachkochen sowieso. (Jasmin Al-Kattib, 11. November 2010, daStandard.at)