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"Eine Reform ohne jemanden schlechter zu stellen ist Utopie"

apa/GINDL Barbara

Washington - Für eine umfassende Pensionsreform mit einer Harmonisierung des Beamten- und ASVG-Pensionsrechts sowie einer Umstellung des derzeitigen Systems auf Pensionskonten hat sich der österreichische Pensionsexperte Robert Holzmann, Direktor für Soziale Sicherheit bei der Weltbank ausgesprochen. "Es darf keine goldenen Käfige geben", sagte der Universitätsprofessor im Gespräch mit der APA in Washington. Holzmann fordert eine Senkung des öffentlichen Beitrags zu den Pensionen, denn Österreich sei mit staatlichen Pensionsausgaben von rund 15 Prozent des BIP "Weltmeister".

Die jetzt von der Regierung in Grundzügen beschlossene Pensionsreform ist für Holzmann zwar ein "Schritt in die richtige Richtung", aber noch lange nicht die Lösung. Eine Pensionsreform hätte schon "vor zehn oder mehr Jahren" stattfinden sollen, meint er. Der hohe Reformbedarf ergebe sich durch die stetigen Veränderungen in der Gesellschaft. "Das heutige Pensionssystem entstand in einer Zeit anderer Familienbilder". Holzmann schlägt daher grundlegende Änderungen vor.

Die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen, die spätere Familiengründung und die hohe Scheidungsquote mache Hinterbliebenenpensionen seiner Ansicht nach "sinnlos", denn wenn beide Partner den Großteil ihres Lebens arbeiten, bleibe im Alter keiner unversorgt. Die Abgeltung von Kindererziehungszeiten müsse natürlich extra erfolgen, um Eltern nicht zu benachteiligen. Im Falle einer Scheidung sollten schon bei der Trennung und nicht erst bei Pensionsantritt die während der Ehe erworbenen Pensionsanwartschaften "gesplittet" und auf die Pensionskonten der Partner eingetragen werden.

Das Altern der Gesellschaft habe noch gar nicht so richtig eingesetzt: Die Lebenserwartung werde weiter ansteigen, die so genannte "Alterslastquote" sich bis zum Jahr 2050 etwa verdoppeln. Die "Versichertenlastquote", die Relation der Pensionsbezieher zu den Versicherten, werde sich allerdings nicht ganz so verschlechtern. Eine Gesellschaft mit gesünderem und längerem Alter müsse ein höheres effektives Pensionsalter erreichen, um ein gewisses Gleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Pensionisten zu erzielen.

Die Pensionssysteme im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft sollten harmonisiert werden, fordert der Universitätsprofessor. Die derzeitigen Vorteile für Beamte im Pensionssystem würden die Mobilität zwischen den Sektoren verhindern, da ältere Beamte bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft verlieren würden. Parallel mit einer Anhebung des effektiven Pensionsalters müsse aber auch ein Jobwechsel in späteren Jahren noch möglich sein. Dann könnten etwa ältere Lehrer aus den Schulen in die Wirtschaft wechseln, regt Holzmann an.

"Eine Reform ohne jemanden schlechter zu stellen ist Utopie"

Bei einer generellen Umstellung auf ein Pensionskontensystem wäre nach Ansicht von Weltbank-Direktor Robert Holzmann eine Harmonisierung der verschiedenen Systeme für öffentlichen Dienst und Privatwirtschaft schon mit Jänner 2004 möglich. Die Auswirkungen wären dann bei einem Beamten, der ein Jahr vor der Pension stehe, geringer als bei einem heute 40-Jährigen im öffentlichen Dienst.

Beim von der Regierung geplanten beitragsorientierten Pensionskontensystem werden die Beiträge eines Versicherten (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag) auf einem individuellen Ruhestandskonto gutgeschrieben und jährlich verzinst. Beim Pensionsantritt wird dann der angesammelte Beitrag durch einen Faktor geteilt, der sich aus der restlichen statistischen Lebenserwartung und einer Verzinsung berechnet. Je später jemand in Pension geht und je mehr Beitragsjahre und Beiträge er angesammelt hat, desto höhere Pension bekomme er, erläutert Holzmann.

Nachteil des Pensionskontensystems sei, dass die Pensionshöhen insgesamt geringer ausfielen, insbesondere bei früherem Pensionsantritt. "Die Versicherungsmathematik ist da unerbittlich", so der Experte. Da das System auf den einbezahlten Versicherungsleistungen beruhe, habe der Staat geringere Verpflichtungen. Die staatlichen Leistungen würden sich im Wesentlichen auf den Ausgleich für Kindererziehungs-Zeiten, Militärdienst und Arbeitslosigkeit reduzieren. Dann könnte der Anteil der staatlichen Finanzierung auf ein bis 1,5 Prozent des BIP gesenkt werden.

Auf Grund der Veränderungen in der Gesellschaft sieht Holzmann die Notwendigkeit für eine derartige systematische Reform gegeben. Dabei muessten auch Abstriche in Kauf genommen werden. "Zu glauben, dass es eine Reform gibt ohne jemanden schlechter zu stellen, ist Utopie". Allerdings sollte jede Reform sozial verträglich sein und nicht die untersten Einkommensschichten am meisten belasten. Wichtig sei es auch, die Lebensplanung der Betroffenen nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. "Die Leute müssen sich einstellen können und vorausplanen".

Der Sozialexperte Robert Holzmann ist derzeit bei der Weltbank in Washington DC als Direktor für Soziale Sicherheit tätig. Zuvor lehrte er an der Universität von Saarbrücken. Der Professor für Finanzwissenschaft war im Jänner 2000 vom damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider als möglicher Finanzminister einer blau-schwarzen Regierung ins Gespräch gebracht worden. (APA)