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Foto/apa/dpa/grubitzsch

London - Der in geistiger Umnachtung gestorbene deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) hat nach Erkenntnissen eines US-Forschers nicht an der "Lustseuche" Syphilis gelitten, sondern möglicherweise an einem Hirntumor. Das Syphilis-Gerücht ist dabei schon seit Jahren verabschiedet worden. Die angebliche Syphilis-Erkrankung war nach dem Zweiten Weltkrieg von vielen Nietzsche-Kritikern aufgegriffen worden, um den vermeintlichen Wegbereiter der Nazis schlecht zu machen, argumentierte nun auch Leonard Sax, Direktor eines Forschungszentrums für kindliche Entwicklung in Maryland, im britischen "Sunday Telegraph".

Nicht die typischen Symptome

Nietzsche war 1889 nach einem Zusammenbruch in einem Heim in Basel untersucht worden. Dabei hatten die Ärzte zunächst Syphilis diagnostiziert. Später seien sie sich aber nicht mehr sicher gewesen, führte Sax aus. Bei Nietzsche sei keines der für die Geschlechtskrankheit typischen Symptome wie ein ausdrucksloses Gesicht oder schleppendes Sprechen feststellbar gewesen. Wahrscheinlicher sei ein langsam wachsender Hirntumor, der sowohl Nietzsches Zusammenbruch als auch seine Kopfschmerzen und Sehstörungen erklären könne.

Gerüchte

Die Syphilis-Geschichte wurde nach Recherchen von Sax 1947 von dem Nietzsche-Kritiker Wilhelm Lange-Eichbaum verbreitet. Dieser berichtete in einem Buch, ein Berliner Neurologe habe ihm einmal erzählt, dass sich Nietzsche als Student in einem Leipziger Bordell mit der Geschlechtskrankheit angesteckt habe. "Diese einzelne Passage in Lange-Eichbaums zweifelhaftem Buch ist die wichtigste, immer wieder zitierte Grundlage dafür, dass Nietzsche Syphilis hatte", sagte Sax.

Der britische Nietzsche-Forscher Stephen Houlgate meinte, die neuen Erkenntnisse könnten zur weiteren Rehabilitierung des Philosophen beitragen. "Nietzsche war weder Antisemit noch Nationalist und hasste den Herdentrieb", sagte er. "Wenn diese neue Untersuchung einen weiteren Irrtum über ihn aus der Welt schafft, freut mich das."

Das beste Mittel, primitiven Gerüchten zu entkommen, ist immer noch: Selber lesen, genau lesen, sich selber ein Bild machen. (APA/dpa/red)