Standard: Es gab 98,5 Prozent Zustimmung zum Koalitionspakt. Haben Sie mit einem derart hohen Ergebnis gerechnet?
Vassilakou: Mit einem derart hohen Ergebnis weiß Gott nicht. Ich habe mit 80 Prozent gerechnet und das schon für sensationell gehalten. Es zeigt, wie sehr die Zeit für Rot-Grün reif ist und wie sehr sich die Grünen in dem Koalitionsabkommen wiederfinden.
Standard: Beim Lobautunnel haben Sie angekündigt, dass es eine Volksabstimmung geben soll. In welchen Bereichen könne Sie sich noch Befragungen vorstellen?
Vassilakou: Wir sind übereingekommen, dass wir bei strittigen Projekten, das können Flächenwidmungen, Garagen oder größere Straßenprojekte sein, die Anrainer und Betroffenen zu Wort kommen lassen. Diesen Weg gehen Rot-Grün regierte Städte seit Jahren mit großem Erfolg. Das bedeutet auch, das am Ende immer eine Lösung gefunden wird. Das soll nicht nur auf strittige Projekte reduziert werden. Die Anraiener sollen zum Beispiel auch bei der Gestaltung von Parks eingebunden werden. Und es wird keine Garage ohne Einbindung der Anrainer geben. Viele Garagenprojekte werden übrigens von den Anrainern gewünscht, das ist gut so. Aber sie sollen so gestaltet werden, dass an der Oberfläche Platz gewonnen wird.
Standard: Aber man kann nicht alle Entscheidungen an die Anrainer delegieren.
Vassilakou: Regieren bedeutet, dass man an die Bürger mit einer Haltung herantritt. In manchen Fällen wie dem Lobautunnel kann das eine kritischen Haltung sein. Man darf aber nicht über die Köpfe der Leute hinweg entscheiden. Bei vielen Projekten, die man gegen die Bürger durchdrücken wollte, ist man in den vergangenen Jahren gescheitert, zum Beispiel beim Bauprojekt auf der Hohen Warte. Hier geht es nicht ums Delegieren der eigenen Verantwortung, sondern um Respekt und Standards moderner Politik.
Standard: Der Autoverkehr soll um ein Drittel gesenkt werden. Gleichzeitig kommt die Öffi-Verbilligung nicht so wie im Wahlkampf gefordert. Wie wollen Sie die Leute zum Umsteigen auf die Öffis bringen?
Vassilakou: Erst einmal abwarten, was die Tarifreform-Arbeitsgruppe vorschlagen wird. Das soll noch 2011 der Fall sein und auch schon umgesetzt werden. Das Ziel ist eine Tarifreform, die soziale wie Klimaschutz-Kriterien erfüllt. Und es soll für Langzeitkarten-Besitzer einen finanziellen Anreiz geben. Im Koalitionsprogramm steht außerdem, dass zum Beispiel stark frequentierte Buslinien in Straßenbahnlinien umgewandelt werden sollen. Weiters sollen Park&Ride-Anlagen auch im Umland entlang der Schnellbahnlinien entstehen. Das kann man nicht in 100 Tagen umsetzen, aber in fünf Jahren ist das sehr wohl möglich.
Standard: Besitzen Sie ein Auto und wieviele Kilometer fahren Sie im Jahr?
Vassilakou: Ich persönlich besitze kein Auto, wenn es hoch kommt, fahre ich vielleicht 150 Kilometer im Jahr.
Standard: VP-Chefin Christine Marek hat gesagt, die Grünen seien bei der Wahlrechtsreform umgefallen.
Vassilakou: Im Pakt steht eindeutig, dass wir ein modernes Verhältniswahlrecht anstreben. Wir wollen die Reform bis 2012 umsetzen. Das heißt, die nächste Gemeinderatswahl wird nach einem neuen Wahlrecht abgehalten werden. Und wir werden nicht von unserer Vorstellung eines fairen Wahlrechts abrücken.
Standard: Sie werden in ihrem Bereich viel mit den Bezirken zu tun haben. Nun gab es gerade in den Flächenbezirken keine große Begeisterung für Rot-Grün. Wie wollen Sie diese Bezirke überzeugen?
Vassilakou: Mit besseren und schnelleren Öffis. Wobei ich ein erklärter Fan von neuen Straßenbahnen bin. Gute Anbindungen sind in den Flächenbezirken und in den Stadterweiterungsbezirken von zentraler Bedeutung. Es kann ja nicht sein, dass Niederösterreich im Geld erstickt und Wien im Verkehr.
Standard: Alexander Van der Bellen wechselt trotz 12.000 Vorzugsstimmen nicht nach Wien. Wie erklären Sie das den Wählern?
Vassilakou: Doch, er wechselt nach Wien, aber nicht in den Gemeinderat. sondern als Stadtbeauftragter. Er hat auch immer gesagt, er steht für eine geeignete Rolle zur Verfügung. Diese wird er im Rahmen unsere Regierungstätigkeit erfüllen. Alle die ihm die Stimme gegeben haben, wollten Rot-Grün, sie haben es auch bekommen. (Bettina Fernsebner, DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2010)