125 Kundendienstmitarbeiter sind österreichweit unterwegs, um Fernseh- und Radioanmeldungen zu prüfen.

Foto: GIS

In zügigem Tempo nimmt Franz A. Stufe um Stufe, um dann vor der Tür einige Sekunden durchzuatmen bevor er die Klingel betätigt. Einmal, zweimal, dreimal - nichts regt sich. Er geht weiter zur nächsten Tür auf seiner Liste. Es ist erst kurz nach 17 Uhr. "Um diese Zeit trifft man hauptsächlich Hausfrauen an. Wenn man Glück hat, kommen die Leute gerade von der Arbeit heim oder sind Schichtarbeiter. Leute, die im Handel tätig sind, sind überhaupt am schwersten vorzufinden", so der Pensionist. Er ist einer von 125 Kundendienstmitarbeitern, so die offizielle Bezeichnung, des Gebühren Info Service (GIS) und bessert sich mit dieser Tätigkeit seine Pension auf.

Gewissenhaft arbeitet er die Listen ab, die er gemeinsam mit Anmelde- und Informationsunterlagen sowie einer Stadtplankopie des Einsatzgebietes in einer schwarzen Mappe mit sich herumträgt. Derzeit ist er im zweiten Wiener Gemeindebezirk unterwegs und läutet bei jenen Türen privater Wohnungen, die auf seiner Liste grau hinterlegt sind. Bei ihnen liegt weder Radio- noch Fernsehanmeldung vor. Österreichweit sind geschätzte 140.000 Haushalte Schwarzseher respektive -hörer. Niemand öffnet, schon läutet er an der nächsten Tür. Wieder dreimal klingeln, wieder öffnet keiner.

Bis 20 Uhr im Einsatz

Erst nach gut einem Dutzend Wohnungen öffnet sich schließlich erstmals die Tür. Herr A. setzt ein Lächeln auf: "Grüß Gott, A. vom Gebühren Info Service. Ich bin hier wegen der Radio- und Fernsehanmeldung. Kann es sein, dass sie ein Radio- und vielleicht auch ein Fernsehgerät besitzen und dieses noch nicht angemeldet haben?" Diese Sätze wird er genauso freundlich aber ebenso bestimmt noch mehrmals an diesem Abend wiederholen, bis 20 Uhr darf er Werktags im Dienst unterwegs sein.

Der Mann in der Wohnung gibt an, lediglich auf die Kinder der Wohnungsbesitzerin aufzupassen und nicht hier zu wohnen. Er lässt sich eine Visitenkarte geben und verspricht einen verlässlichen Rückruf. "Andernfalls bin ich spätestens nächste Woche wieder da", sagt A. und lächelt. Konkurrenz muss er keine fürchten, ein Gebiet ist stets einem Kundendienstmitarbeiter vorbehalten.

Mehrmaliger Rundgang

Er geht die Route heute zum ersten Mal. In den nächsten Tagen und Wochen wird er noch öfter in der Gegend rund um den Karmelitermarkt auftauchen. Zu unterschiedlichen Uhrzeiten, um möglichst alle Wohnungen auf seiner Liste abzuarbeiten, die wöchentlich mit den amtlichen Meldedaten abgeglichen wird. Als er bei einem Haus keinen Einlass bekommt, meint er listig: "Ich bin noch überall hineingekommen" und wird es ein anderes Mal versuchen.

Alle sollen erreicht werden

Seine Liste, die er auch beim flotten Gang durch das Stiegenhaus mit seiner Lesebrille studiert, gleicht er mit den Klingeln, Briefkästen und Türen in den Wohnhäusern ab. Nichtnummerierte Wohnungstüren und falsche Adressangaben sind die Tücken des Alltags bei dieser Arbeit. "Aber wir sezieren die Häuser geradezu, damit wir alle irgendwann erreichen. Das mache ich natürlich nicht für die Republik Österreich, sondern ich werde für jede durchgeführte Anmeldung bezahlt", nennt er seine Motivation. Alle GIS-Kundendienstmitarbeiter arbeiten auf Werksvertragsbasis, wobei der Abschluss einer Fernseh- und Radioanmeldung mehr Geld bringt als eine Radioanmeldung allein.

"Vor denen haben alle Angst"

In einem Haus, das zwölf Parteien beherbergt, aber lediglich drei Anmeldungen auf der Liste aufweist, wittert er seine Chance. Während er seine Liste studiert, kommt ein sportlicher Mitdreißiger gerade nach Hause, wird aufmerksam und nimmt die Kopfhörer aus dem Ohr. Als er bemerkt, dass es sich um einen GIS-Mitarbeiter handelt, läuft er schnell weiter. Auch ein Handwerker im Haus wird auf A. aufmerksam: "Kontrolle?", fragt der Handwerker nicht ohne Schadenfreude. "Ja, Fernseh- und Radioanmeldung", entgegnet A. und scheint kurzzeitig auf das Leitbild der GIS "informieren statt kontrollieren" vergessen zu haben. "Uh, das sind die schlimmsten", sagt der Handwerker ehrfürchtig, "vor denen haben alle Angst."

"Es handelt sich ganz klar um ein Angstunternehmen", macht sich A. keine Illusionen, "da ist es wie mit der Polizei. Wenn man von der angehalten wird, rechnet ja auch niemand damit, dass man nur eine gute Fahrt gewünscht bekommt." So fragt auch gleich ein junges Mädchen, ob denn jetzt eh nichts passiere, weil der Vater keine Anmeldung durchgeführt habe. Das erinnert A. an die Ängste seiner Mutter, die stets fürchtete, dass ihr von der Post der Fernseher beschlagnahmt wird. Doch diese Zeiten sind vorbei. Im schlimmsten Falle setzt es eine Nachzahlung der Gebühren.

Freundlichkeit hilft nicht immer

Nicht nur A. ist stolz, dass die GIS mit einer geschätzten Schwarzseherquote von 2,5 Prozent deutlich besser dasteht als die GEZ in Deutschland, die deutlich ruppigere Methoden anwende. Er betont, dass gemäß dem Motto "informieren  statt kontrollieren" mit Charme und einem Lächeln eben viel zu erreichen sei. "Wobei es gibt auch Leute, bei denen bringt das gar nichts. Da gibt es auch keinen Unterschied zwischen den Generationen oder der Herkunft. Verbissene und aggressive Menschen sind überall zu finden."

Doch an diesem Abend nehmen es alle, die bisher noch keine Anmeldung hatten und nun zahlen müssen, sportlich und das obwohl manche gerade von einem langen Arbeitstag heimkommen oder durch die Klingel aufgeweckt werden. Einzig die Bewohner einer WG fragen noch nach den Möglichkeiten einer Gebührenbefreiung. Wie viel Gebühren anfallen, wird meist nur beiläufig erfragt, während der GIS-Mitarbeiter die notwendigen Formulare ausfüllt. In Wien sind derzeit 23,06 Euro pro Monat für Radio und Fernsehen beziehungsweise für Radio allein 6,68 Euro zu berappen, nach der Steiermark und Kärnten der höchste Wert Österreichs.

Der Mitdreißiger mit den Kopfhörern, der zuvor im Stiegenhaus vorbei gejoggt ist, öffnet resignierend die Tür und bittet den GIS-Mitarbeiter, der sonst kein Zutrittsrecht hätte, hinein und bietet ihm auch etwas zu trinken an. Ausreden, wie man würde ohnehin kein ORF-Programm anschauen, sind heute keine zu hören.

"Fernsehen verblödet die Menschen"

Eine Frau, die auf der Liste mit Radioanmeldung zu finden ist und bei der nachgefragt wird, ob sie sich inzwischen ein TV-Gerät angeschafft hat, tut aber ihre Meinung kund: "Fernsehen verblödet die Menschen. Ich bin absolut gegen Fernsehen und Computer. Schauen Sie sich nur die armen Kinder an", sagt sie und streichelt den Hund auf ihrem Arm. "Aber da sind doch die Eltern dafür verantwortlich und verblöden tut es auch nur die, die den Knopf zum Ausschalten nicht finden", sagt A. und entschuldigt sich für die Störung. Die Frau war überzeugend genug.

Vier Anmeldungen in zweieinhalb Stunden

"Wir wollen den Leuten ja nichts Böses tun, wir kommen in einem gesetzlichen Auftrag", meint er, der seine Arbeit gerne macht, da sie nicht nur durch das Treppensteigen fit halte. "Wenn ich an einer Tür läute, dann weiß ich nie was passiert, wie der andere reagiert. Das hält den Kopf fit." Schöne Türen und Türrahmen fotografiert er auch gern einmal. "Aber teilweise bekommt man Dinge zu sehen, von denen man nicht glauben würde, dass es die in Österreich gibt." Er spricht von desolaten Wohnverhältnissen und von dringend renovierungsbedürftigen Wohnungen und Häuser, die oftmals auch noch dementsprechend teuer seien.

Bis um halb acht hat er vier Anmeldungen durchgeführt. Er ist zufrieden. "Besser als nichts", meint er. An seinen Rekord von 18 Anmeldungen in zwei Stunden kommt es bei Weitem nicht heran, aber er hat heute auch an viele Türen geklopft, die niemand geöffnet hat und es passiert einem nicht alle Tage, dass der Vorsitzende einer Ferienhaussiedlung alle zusammentrommelt und sich die Bewohner in einer Reihe aufstellen, um ihrer Radio und TV-Geräte anzumelden. (Michael Kremmel/derStandard.at/19. November 2010)