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Hausmittel gegen Schluckauf gibt es viele: einen Kopfstand machen, Zucker essen oder die Luft anhalten.

Foto: REUTERS/Tim Wimborne

Charles Osborne (1894 - 1991) stellte einen Weltrekord auf: Er hatte von seinem 28. bis zu seinem 96. Lebensjahr Schluckauf. 68 Jahre lang hickste der Mann aus dem US-Bundesstaat Iowa anfangs mit 40, später mit rund 20 "Hicksern" pro Minute, geschätzte 400 Millionen Mal, ehe ein Jahr vor seinem Tod plötzlich Schluss damit war. Osborne fand zwar kein Heilmittel dagegen, führte jedoch ein scheinbar halbwegs normales Leben, heiratete zweimal und wurde Vater von acht Kindern.

Der akute Schluckauf den jeder kennt, dauert zum Glück meist nicht lange - aber auch dann ist er schon lästig genug. "Beim akuten Schluckauf weiß man zum Teil gar nicht, warum er ausgelöst wird. Er kann etwa durch scharfe Speisen, Alkohol, kalte oder kohlensäurehaltige Getränke und zu schnelles Essen hervorgerufen werden - ist aber eigentlich ohne Bedeutung und ungefährlich", erklärt Mario Prosiegel, Chefarzt der Abteilung Neurologie und Leiter des Zentrums für Schluckstörungen der m&i-Fachklinik Bad Heilbrunn. Das "hicksende" Geräusch kommt dadurch zustande, dass es plötzlich zu einer Kontraktion des Zwerchfells kommt, eine maximale Einatmung stattfindet und sich zugleich die Glottis, die Stimmritze, verschließt.

Langanhaltender Schluckauf

Ernst zu nehmen sei jener Singultus, der länger als zwei Tage andauere. Ab dieser Zeitspanne wird von chronischem Schluckauf gesprochen, der viele unterschiedliche Ursachen haben kann. Das Hicksen kann vor allem organischen und neurologischen Ursprungs sein: "Nicht selten lösen Erkrankungen im Bereich Hals, Brust oder Bauch den Schluckauf aus. Das können Tumore sein, Entzündungen wie Gastritis oder Zwerchfellerkrankungen. Bei den neurologischen Ursachen sind oft Erkrankungen des Hirnstamms wie ein Hirnstamminfarkt, Tumore, Schädel-Hirn-Verletzungen oder Hirnentzündungen schuld daran", so der Neurologe.

Hausmittel und Therapie

Um das lästige Phänomen wieder los zu werden gibt es viele Hausmittel. Manche sind durchaus sinnvoll, manche nicht; die meisten zielen auf Ablenkung ab. Vielleicht kommt daher auch der Spruch, dass gerade jemand an die Person denkt, die "Schnackerl" hat - denn darüber nachzudenken, wer das sein könnte, lenkt ebenfalls ab. Ein anderes Hausmittel ist die Luft anzuhalten. "Solange den Atem anzuhalten, bis einem drei Männer einfallen, die einen Glatzkopf haben", ist laut Prosiegel ein relativ gängiges Mittel. Durch langes Luft anhalten bezwecke man einen Anstieg von Kohlendioxid in der Lunge, der den Schluckauf hemme. Ratsam sei auch eine leichte Druckausübung auf beide Augäpfel, die einen Vagusreiz ausübe und den Schluckauf auf diese Weise häufig stoppe. Hausmittel, die bei einem akuten Schluckauf durchaus zum Erfolg führen, helfen bei einem chronischen aber nicht. "Zu mir kommen mitunter Patienten, die oft schon ein Jahr lang Schluckauf haben. Das sind gequälte Menschen", so der Schluckexperte. Der langanhaltende Schluckauf schmerzt nicht nur nach einer Zeit körperlich, sondern belastet Betroffene auch psychisch. Umso wichtiger ist es, der Krankheit auf den Grund zu gehen.

Bei der Diagnosestellung ist ein systematisches Vorgehen angesagt. Patienten mit chronischem Schluckauf werden zuerst auf Krankheiten im Bereich Hals, Thorax und Abdomen hin untersucht. Liegt eine bestimmte Erkrankung zugrunde, muss diese behandelt werden. Wird eine organische Ursache ausgeschlossen, kann der Singultus mithilfe bestimmter Medikamente bekämpft werden. Beruhigungsmittel, muskelentspannende und krampflösende Mittel oder Neuroleptika können zur Anwendung kommen. Oft wirke eine Kombination aus drei Medikamenten, erklärt Prosiegel: ein Antispastikum um das Zwerchfell zu entspannen, ein Protonenpumpenhemmer, der die Magenentleerung beschleunigt und die Säuresekretion hemmt und ein Medikament, das eigentlich die Peristaltik anregt und deshalb auch gegen Übelkeit eingesetzt wird. "Damit bekommen wir den Schluckauf bei vielen Patienten in den Griff oder zumindest auf eine niedrigere Frequenz."

Von der Sinnhaftigkeit

So unangenehm und lästig Schluckauf ist, müsste eigentlich auch ein Sinn dahinter stecken. "Den gibt es auch, allerdings nur bei Embryos", erklärt Prosiegel. "Föten haben bereits im Mutterleib Atembewegungen. Wenn der Embryo massiv einatmet und sich zugleich die Glottis schließt, gelangt das Fruchtwasser nicht in die Lunge." Bei erwachsenen Menschen ist der Schluckauf ohne Bedeutung - außer dass er Zeit zum Nachdenken gibt: Wer denkt an mich? (Ursula Schersch, derStandard.at, 17.11.2010)