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Zugang zu medizinischen Leistungen bleibt armen Menschen oft verwehrt

Foto: AP/Frank Augstein

Wien - Armut macht krank. Diese oft vorgebrachte These hat eine aktuelle Studie erneut bestätigt. Demnach sind einkommensschwache Personen gesundheitlich stärker belastet und haben eine geringere Lebenserwartung als gut verdienende Menschen. Auch Migranten seien gesundheitlich in "nachweislich schlechterem Zustand", betonte Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) forderte, sich im medizinischen Bereich mehr auf andere Kulturen einzulassen.

Anlass für die Volkshilfe, den Zusammenhang von Armut und Krankheit untersuchen zu lassen, war das europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Durchgeführt wurde die Untersuchung von der sozialökonomischen Forschungsstelle. Das Ergebnis floss in eine Broschüre mit dem Titel "Armut macht krank", in der auch Best-Practice-Beispiele beschrieben werden. Das Ergebnis: Acht Prozent unter den einkommensschwächeren Personen beurteilen ihren Gesundheitszustand schlecht oder sehr schlecht, in höheren Einkommensklassen sind dies nur vier Prozent.

Krankheit, Stress, Ausgrenzung

Auch von chronischen Erkrankungen sind Menschen mit geringerer Bildung - und daher meist mit niedrigerem Einkommen - öfter betroffen. "Bildungsdefizite bedeuten schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt", erklärte Fenninger. Zudem leben arme Menschen kürzer, hier beträgt der Unterschied bis zu neun Jahre. Als Einflussfaktoren sieht die Volkshilfe neben Bildung und Einkommen noch Belastung durch Stress, soziale Ausgrenzung, Wohnverhältnisse und den Zugang zu medizinischen Leistungen. Mehrfach belastete Personen sowie Wohnungslose, Langzeitarbeitslose oder Personen mit Migrationshintergrund seien am stärksten von Ungleichheiten betroffen.

Aber auch Lösungsmöglichkeiten für das Dilemma sieht die Volkshilfe und zeigt diese in ihrer neuen Broschüre auf: So müsse Gesundheit "nach Hause" zu den Betroffenen kommen wie etwa in Form einer "Familienintensivbetreuung". Auch muttersprachliche Betreuung, kleinräumige Organisation, Möglichkeiten zur Mitgestaltung und bessere Information würden zur Verbesserung der Situation beitragen. Ebenso wie spezielle Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. "Niederschwellige" Sozialberatung wird etwa im AKH Linz angeboten. Die Leiterin der Sozialarbeit, Anna Maria Dieplinger, sprach von einem starken Anstieg der Fälle in den vergangenen Jahren.

Kritischer Blick

Gesundheitsminister Stöger unterstrich die Aussage Fenningers, dass das Thema Armut und Krankheit ein ressortübergreifendes sei. "Wir brauchen immer einen kritischen Blick auf die Frage: Stimmen die Rahmenbedingungen?" Er hob mehrere "wesentliche Verbesserungen" hervor, die auf sein Konto gingen: Darunter die E-Card für alle sowie die Unfallversicherung für behinderte Menschen in Beschäftigungstherapie und für Kinder im verpflichtenden Kindergartenjahr. Vor allem müsse man aber "Menschen finden, die bereit sind, sich auf konkrete Lebenssituationen und Kulturen einzustellen", so Stöger.

"Erschüttert" ist Siegfried Meryn, Facharzt für Innere Medizin und Gründer der Initiative "Nein zu Arm und Krank", über die Tatsache, dass sich im europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut kaum jemand für dieses Thema interessiere. Dabei gebe es "wirkliche Schicksale". Meryn: "Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen, den Menschen eine Stimme zu geben." Auch von der Erholung nach der Wirtschaftskrise würden viele, die es am nötigsten hätten, nichts spüren. (APA)