Massenhochzeit als politisches Signal: In Khartum wurden vergangenes Wochenende hunderte gemischte Ehen zwischen Nord- und Südsudanesen als Symbol für die Einigkeit geschlossen.

Foto: Raouf/dpad

Am Montag begann die Registrierung der fünf Millionen Wähler. Viele Fragen bleiben offen.

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In den europäischen Staatskanzleien geht die Kriegsangst um. Von London bis Helsinki, von Stockholm bis Wien - alle fürchten, das für den 9. Jänner angesetzte Unabhängigkeitsreferendum für den Südsudan könnte einen erneuten blutigen Konflikt in dem afrikanischen Land auslösen. "Die Lage ist sehr angespannt, es schaut nicht gut aus" , sagte etwa der finnische Verteidigungsminister Jyri Häkämies dem Standard. Beide Parteien haben in den vergangenen Monaten ihre Truppen an der Grenze aufgestockt, es gab bereits vereinzelte Scharmützel und auch Tote.

Nun wird der Fall noch einmal vor den Vereinten Nationen in New York behandelt. Vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Sudan heute, Dienstag, erläuterte auch Außenminister Michael Spindelegger seine Befürchtungen: "Für das sudanesische Volk steht alles auf dem Spiel. Ein neuerliches Blutvergießen muss unbedingt verhindert werden. Ein neuer Bürgerkrieg könnte einen Dominoeffekt auslösen und die ganze Region mitreißen. Allen Beteiligten muss klar sein: Es darf kein zweites Darfur geben."

Spindelegger nimmt an der Sitzung des Sicherheitsrates, die der britische Außenminister William Hague leitet, teil. Deren Ziel ist es, alle beteiligen Parteien mit einer Präsidentschaftserklärung (eine Resolution wäre wegen der Haltung der Vetomacht China viel schwerer zu erreichen gewesen) zum Frieden aufzurufen. Das höchste UN-Gremium wolle, so Spindelegger, damit auch darauf hinweisen, dass die "Vorbereitungen auf ein freies und faires Referendum beschleunigt werden müssen" . Denn bisher liefen diese nicht optimal.

Die Volksabstimmung ist Teil des Friedensabkommens von 2005, mit dem der mehr als 20 Jahre andauernde Bürgerkrieg zwischen dem Süden und Khartum beendet wurde. Dem Südsudan wurde zugestanden zu entscheiden, ob er bei der bisherigen Autonomielösung bleiben oder die Unabhängigkeit erklären will. Abgesehen davon sind aber noch viele Fragen offen: Es ist etwa noch unklar, wie die Öleinnahmen der Felder im Süden aufgeteilt werden. Khartum wehrt sich gegen das graduelle Auslaufen der bisherigen Fifty-fifty-Lösung bezüglich der Erlöse des vorwiegend nach China ausgeführten Rohstoffs.

Unklarer Grenzverlauf

Unklar ist auch der genaue Grenzverlauf im Falle einer Unabhängigkeit des Südens. Dazu kommen Staatsbürgerschaftsfragen, die auf Eigentumsrechte oder Sozialleistungen wirken. Die südsudanesische Regierung möchte die Pässe nach ethnischen Kriterien vergeben, Khartum lehnt das ab.

Die größte Sorge der internationalen Staatengemeinschaft aber betrifft die Durchführung des Referendums selbst. Die sudanesischen Behörden wollen die Registrierung der fünf Millionen Wähler, die am Montag begann, in dem riesigen Land in nur 14 Tagen bis Anfang Dezember abgeschlossen haben. Der Präsident des bisher halbautonomen Südens, Salva Kiir, ging selbst mit gutem Beispiel voran. "Die Bevölkerung muss hinausströmen, alles andere würde bedeuten, dass die Menschen umsonst gekämpft haben und umsonst gestorben sind" , sagte Kiir. In Juba, der Hauptstadt im Süden, waren Registrierungsaufrufe zu hören, dazu lief Musik.

Die komplizierten Kriterien darüber, wer sich registrieren lassen darf, könnten aber zu Problemen führen. Österreich hat zuletzt mit völkerrechtlicher Expertise und einer Sudankonferenz zu helfen versucht. Dabei habe man laut Spindelegger vor allem klarmachen wollen, dass "Nord- und Südsudan auch weiterhin zusammenarbeiten müssen - gleichgültig wie das Referendum ausgehen mag" . Geeinigt hat man sich zumindest darüber, eine "weiche Grenze" zwischen Süden und Norden für Handelnde und Nomaden im Fall einer Sezession zu etablieren, sowie auf einen Rahmen, in dem man Uneinigkeiten abarbeiten kann. (Christoph Prantner aus New York/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2010)