"Ich bin Sternzeichen Waage, das Hassen und Ausgrenzen ist nicht meine Stärke", sagt Herbert Haupt im Gespräch mit derStandard.at.

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"Ich bin jetzt in einem Alter, wo nur noch Funktionen im Seniorenbund eine für mich adäquate Beschäftigung wären", sagt Haupt im Hinblick auf seinen langsamen Abschied aus politischen Ämtern. 

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"Bei manchen Paten ist es schwierig: Die Fischotter sind in Schweden wieder ausgesetzt worden", so Herbert Haupt über seine Tierpaten. Im Bild: Herbert Haupt besucht die Fischotter im Salzburger Tiergarten im November 2004.

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Herbert Haupt hat in seinem Leben schon viele Ämter inne gehabt. Er war Dritter Nationalratspräsident, Minister, Vizekanzler, Behindertenanwalt. Ein Amt ist ihm geblieben. Heute ist er Vizebürgermeister von Spittal an der Drau. Mit derStandard.at sprach Haupt über die aktuelle Sozialpolitik, seine Wanderschaft durch die Parteien des Dritten Lagers und seine Bemühungen, BZÖ und FPÖ zu einen. Im Moment gehört Herbert Haupt der FPK an. Die Fragen stellten Marie-Theres Egyed und Sebastian Pumberger.

derStandard.at: Herr Haupt, Sie haben in ihrer politischen Karriere einigen Parteien des rechten Lagers angehört...

Haupt: Das ist falsch, ich habe seit 1978 immer nur den Freiheitlichen in Kärnten angehört, die haben in ihrer Geschichte unterschiedliche Zusammenarbeiten gehabt.

derStandard.at: Sie waren jedoch auch Mitglied des BZÖ?

Haupt: Freilich war ich mit den Kärntner Freiheitlichen Mitglied im BZÖ.

derStandard.at: Sehen Sie es als einen Fehler, dass sich das dritte Lager gespalten hat?

Haupt: Ich war immer schon der Meinung, dass die Spaltung des dritten Lagers ein Fehler war. Ich war maßgeblich daran beteiligt um diese Trennung wieder zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit zu führen. Norbert Steger und ich haben auf beiden Seiten interveniert. Wir haben uns einmal beim Meinl am Graben getroffen und wie es so unter alten Politikern üblich ist, haben wir über die Einschätzung des dritten Lagers geredet. Wir sind beide zu der Erkenntnis gekommen, dass es eigentlich schade ist, dass wir mehr damit beschäftigt sind die Fehler der Vergangenheit gegenseitig nachzurechnen und zu prozessieren, anstatt der österreichischen Bevölkerung das Gestalten der Zukunft schmackhaft zu machen. Wir sind dann beide an unsere Parteivorsitzenden herangetreten, ob da nicht Verständnis für diese Sicht besteht. Aus diesen Gesprächen ist es dann bald zu Treffen zwischen Heinz-Christian Strache und Jörg Haider gekommen. Diese sind dann schließlich zwischen den beiden Gruppierungen mit einem für mich zufriedenstellenden Ergebnis ausgegangen.

derStandard.at: Das war 2008?

Haupt: Das hat nach den letzten Nationalratswahlen begonnen. Es war geplant, dass die Europawahlen - um den eigenen Wähler nicht vor den Kopf zu stoßen – schon als gemeinsame Wahlen vorbereitet werden. Durch den frühen Tod von Jörg Haider ist es dann nicht mehr dazu gekommen. Uwe Scheuch hat dann offensichtlich, als er Nachfolger als Parteivorsitzender geworden ist, diese Verhandlungen mit Strache geführt.

derStandard.at: Haider hat das BZÖ gegründet.

Haupt: An dieser Trennung war Haider klar schuld, wenn man von Schuld sprechen kann. Er war der Motor dieser Trennung. Aber man muss auch sagen, dass Haider mit seinen Konzepten bei sehr vielen in der Freiheitlichen Partei Österreichs auf geteilte Gegenliebe und in der Öffentlichkeit auf großes Interesse gestoßen ist. So wie Haider und seine Visionen mit ihm mitgestorben sind, ist das BZÖ wieder dorthin geschrumpft, wo es in der Anfangszeit war. Es droht ihm das gleiche Schicksal wie der liberalen Wirtschaftspartei in den 1990er Jahren, nämlich am Rand der Bedeutungslosigkeit dahinzukrebsen.

derStandard.at: Zu wem pflegen Sie heute bessere Kontakte, zu ihren ehemalige Parteifreunden im BZÖ oder zur neu gewonnen Schwesterpartei FPÖ?

Haupt: Ich habe immer zu allen Kreisen des dritten Lagers sehr gute persönliche Kontakte gehabt, ich habe auch gute Kontakte zu Personen in anderen Parteien. Ich bin Sternzeichen Waage, das Hassen und Ausgrenzen ist nicht meine Stärke.

derStandard.at: Was war Ihr persönlicher Grund aus dem BZÖ auszuscheiden?

Haupt: Ich wollte immer, dass das dritte Lager wieder gestärkt auftritt. Das dritte Lager war in Österreich seit der Ersten Republik – wenn man sich den Schober-Block anschaut – aber auch in der Zweiten Republik vorhanden. Man darf ja nicht vergessen, dass der VdU (Anm.: Verband der Unabhängigen, Vorgängerpartei der FPÖ) in der Arbeiterschaft einmal mehr Unterstützung gehabt hat als die Sozialdemokratie.

derStandard.at: Für die FPÖ bedeutet der Regierungseintritt einen Verlust an Wählerstimmen. Die ÖVP hat bei den Wahlen danach weit besser abgeschnitten. Was hat die FPÖ im Bund falsch gemacht?

Haupt: Wir waren mehr mit dem Lösen der Probleme im Bund befasst, als mit dem werbewirksamen Verkauf. Typisches Beispiel war die Familienpolitik: Bartenstein hat noch im Dezember 2000 massiv die Familienunterstützungen als unfinanzierbar erklärt, trotzdem sind sie gekommen. Der Volkspartei ist es nach den vorgezogenen Wahlen nach dem Parteitag von Knittelfeld gelungen, sich als Familienpartei darzustellen. Wenn man sich die derzeitige ÖVP-Politik anschaut, so hat noch keine Partei, nicht einmal Kreisky in seiner Alleinregierungszeit, den Familien so einen schweren Schaden angetan wie jetzt Josef Pröll.

derStandard.at: Wenn Sie an das Jahr 2000 zurückdenken, war die Regierungsbeteiligung der FPÖ richtig?

Haupt: Die Regierungsbeteiligung war richtig. Nicht richtig, war, dass Haider dem internationalen Druck nachgegeben hat und nicht in die Regierung gegangen ist. Mit dem Duo Riess-Passer und Haider wäre die Regierung sicher besser verlaufen. Mit dem Rücktritt von Riess-Passer, und dem Wechsel von Grasser zur österreichischen Volkspartei, ist die FPÖ im Wahlkampf 2002 zerfleddert und mir ist die üble Rolle zugekommen eine Partei zu übernehmen, die von 29 Prozent auf unter acht Prozent in den Meinungsumfragen abgestürzt war.

derStandard.at: Sie haben gesagt, Haider ist aufgrund des internationalen Drucks nicht in die Regierung gegangen.

Haupt: Wir haben damals – das ist kein Geheimnis – sowohl mit SPÖ als auch mit der ÖVP Regierungsverhandlungen geführt. Maximalergebnis mit der Sozialdemokratie wäre gewesen, unabhängige Vertreter in die Regierung aufzunehmen. Das war im Verhältnis zum Angebot mit der österreichischen Volkspartei gestandene freiheitliche Ressorts innerhalb der Regierung samt dem wichtigen Finanzressort zu bekommen, zu wenig.

derStandard.at: In Ihrer Zeit als Gesundheitsminister sollen vor allem die Brüder Scheuch versucht haben Sie loszuwerden.

Haupt: Ich kenne die Familie Scheuch von klein auf: wir haben gerade im Vorfeld von Knittelfeld unterschiedliche Auffassungen gehabt, ich bin mit meiner Auffassung in einer Landesparteivorstandsitzung eindeutig niedergestimmt worden – das Ergebnis war damals 43 oder 46 zu 18, massiv gegen meine Meinung. Das hat dazu geführt, dass sowohl Jörg Haider als auch Susanne Riess-Passer mich gebeten haben, nicht nach Knittelfeld zu fahren. Ich bin diesem Wunsch nachgekommen – vielleicht war das blöd von mir, dass ich damals nicht versucht habe, meine unterschiedliche Position zu meiner Landesgruppe Kärnten in Knittelfeld miteinzubringen. Aber das ist vergossene Milch, das bereitet mir kein Kopfzerbrechen. In dieser Phase hatten wir andere Vorstellungen die Partei zu erneuern. Dass mich die Scheuchs loswerden wollten, sehe ich ganz anders. Ganz im Gegenteil, sie haben sogar versucht mich zu überreden, jetzt nach 35 Jahren den Bezirk Spittal weiterzuführen. Ich bin aber anderer Meinung und habe den Bezirk in jüngere Hände gelegt. Ich bin jetzt in einem Alter, wo nur noch Funktionen im Seniorenbund eine für mich adäquate Beschäftigung wären.

derStandard.at: Zu Ihrer Tätigkeit als Frauenminister. Damals haben Sie eine Männerabteilung gegründet. Sind Ihnen die Anliegen der Männer wichtiger gewesen als die der Frauen?

Haupt: Es war ein Feld das völlig brach gelegen ist. Wenn man sich die Scheidungsfälle anschaut, ist auch heute noch relativ viel im Argen. Wenn Sie sich die Obdachlosenzahlen anschauen, das ist zu über 90 Prozent ein männliches Problem. Wenn Männer einmal abstürzen, stürzen sie meist gewaltiger und nachhaltiger ab.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die aktuelle Sozialpolitik in Österreich?

Haupt: Sozialpolitik ist nie fertig. Man sieht in der jetzigen Sozialpolitik, dass man bei der Übernahme des Amtes den Rechenstift zur Seite gelegt hat. Bei der Hacklerpension kann man nun nicht nur die Höhe der Pension, sondern auch Jahre hinzuzukaufen. Dadurch ist eine neue Schicht in die Hacklerregelung hineingefallen. Hier hat man die Wahlwerbung eins zu eins ohne Nachzurechnen umgesetzt. Es ist jetzt schwierig Leuten etwas wegzunehmen, was man ihnen ungerechtfertigt und nicht nachhaltig gewährt hat.

derStandard.at: Der Ausbau der Barrierefreiheit war Ihnen sowohl als Sozialminister als auch als Behindertenanwalt ein Anliegen...

Haupt: ...ist es immer noch. Ich finde es eine Schande, dass die Bundesregierung ernsthaft überlegt die Umsetzungsziele von 2015 auf 2020 zu verlängern, bei einer ohnehin geltenden zehnjährigen Übergangsfrist. Ich hätte als Sozialminister den Menschen gerne mehr gegeben, als drinnen war. So ist es halt, wenn man ein Amt übernimmt und die Finanzdecke bis zu einem gewissen Ausmaß auch zum Abbau der Schulden genutzt werden muss, dann kann man nicht jeden Wunsch erfüllen, sondern muss einen gewissen Ausgleich zwischen der jungen und der alten Generation schaffen. Sie können mir glauben, es ist nicht lustig bei einer Demonstration mit 160.000 Leute auftreten zu dürfen. Wenn man aber so ein Amt hat, muss man auch in der Lage sein, sich seinen Kritikern zustellen.

derStandard.at: Welche Demonstration meinen Sie?

Haupt: Die Gewerkschaftsdemonstration 2003, wegen der damaligen Pensionsreform.

derStandard.at: Es steht nun im Raum, dass die Familienbeihilfe gekürzt wird. Wie sehen Sie das?

Haupt: Man darf nicht übersehen, dass schon die Karenzzahlungen der Vergangenheit, wo weniger Geld für einen längeren Zeitraum ausbezahlt wurde, eigentlicht schon Kürzungen waren. Wenn Sie sich das vollständige Modell über drei Jahre durchrechnen, so ist bei den kürzer ausbezahlten Modellen jeweils auf Kosten der Familie eingespart worden. Ich betrachte in einem Staat, der auf dem Generationenmodell in seiner Sozialpolitik aufbaut, das jetzige Familienpaket als katastrophal.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Situation, dass gerade Studenten die länger studieren von der neuen Regelung benachteiligt werden?

Haupt: Wenn jemand im Vertrauen darauf, dass er bis zum Ende des 25. Lebensjahrs im Regelfall Familienbeihilfe und Finanzierungshilfe bekommt, studiert und man ihm einfach während des Studiums bei der bekannten Situation auf den Universitäten Teile kürzt, ist das für mich unverständlich und verfassungsrechtlich bedenklich. Man muss aber auch klar sagen, dass die seinerzeitige Abschaffung der Studiengebühren de facto eine Förderung der Reichen war und nicht ein Erfolg für die sozial Schwachen. Bei einem ordentlichen Stipendiensystem werden die sozial Schwachen gefördert. Der Wegfall der Studiengebühren ist zwei Gruppen zu gute gekommen, den Gut- und Besserverdienenden und den Bummelstudenten.

derStandard.at: Ihre Karriere hatte für den Wähler auch amüsante Seiten, zum Beispiel Ihre Tierpatenschaften.

Haupt: Bei manchen Paten ist es schwierig: Die Fischotter sind in Schweden wieder ausgesetzt worden. Nachdem ich nächstes Jahr in Schweden bin, habe ich zwar nicht die Hoffnung, dass ich meine Patenkinder sehe, aber in Nordschweden vielleicht die Nachkommen. Das Nilpferd hat mittlerweile ein Geschwisterchen bekommen. Die Berichterstattung über diese Patenschaft beschäftigt immer noch den europäischen Gerichtshof.

(Marie-Theres Egyed, Sebastian Pumberger, derStandard.at, 10.12.2010)