Der regierungsnahe Figaro spricht von einer "neuen Etappe", vermag aber selbst nicht zu sagen, was an Nicolas Sarkozys Regierungsumbildung von Sonntag neu sein soll. Der Präsident will sich am Dienstag Abend vor den TV-Kameras erklären. Le Monde kommentiert schon jetzt, der von den Umfragen geschwächte Sarkozy hätte sich sicher eine andere Regierung erträumt. Schließlich habe er nicht den Mitte-Politiker Jean-Louis Borloo zum Premier ernennen können, sondern habe seiner Parteibasis folgen und François Fillon im Amt bestätigen müssen.

Auch die Linkszeitung Libération fragt sich, wer nun wen kontrolliere - Sarkozy seinen Untergebenen Fillon oder umgekehrt. Um wenigstens seine UMP-Stammwähler im Griff zu halten, habe der Präsident gestandene Gaullisten wie Michèle Alliot-Marie (Außenministerin) oder Alain Juppé (Verteidigungsminister) in die Regierung geholt. Damit wolle er zweifellos den Parteiflügel um Jacques Chirac und Ex-Premier Dominique de Villepin bei der Stange halten. Doch selbst diesbezüglich sei unsicher, ob Sarkozy damit Juppé und Alliot-Marie einbinde - oder ob ihm diese sehr einflussreichen Gaullisten das Leben erschwerten.

Laut der Regionalzeitung Sudouest zahlt Sarkozy zudem einen hohen Preis für die "Konzentration der Kräfte" um die gaullistische UMP: Nicht nur verliere er mit dem Regierungsaustritt Borloos und von Ex-Verteidigungsminister Hervé Morin die Unterstützung der Zentristen. Auch die Feigenblätter der politischen "Ouverture" fielen gnadenlos: Der sozialistische Außenminister Bernard Kouchner scheidet wegen offenkundiger Amtsmüdigkeit aus, und nach Justizministerin Rachida Dati 2009 entlässt Sarkozy auch die populären "Immigrations-Ministerinnen" Rama Yade und Fadela Amara. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2010)