Die Straße ohne Autos - am autofreien Tag wird sie am Ring einige Stunden lang Realität.

Foto: Standard/Cremer

Der vergangene Freitag, als bekannt wurde, dass die Grüne Maria Vassilakou die Verkehrsagenden bekommt, sei "ein schwarzer Tag für die Autofahrer" gewesen, postete ein User auf derStandard.at. Und er blieb nicht der einzige. Da wurde von Fahrverboten und "Radfahrerterrorismus" geschrieben, FP-Klubobmann Gudenus warnte angesichts von Rot-Grün vor "365 autofreien Tagen im Jahr". Was hat es auf sich mit der Angst der Autofahrer vor den Grünen? Woher kommt sie, und vor allem: Ist sie begründet? derStandard.at hat nachgeforscht.

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"Ziel ist es, den MIV (Motorisierten Individual Verkehr) in Wien um rund ein Drittel zu reduzieren, den ÖV-Anteil (Öffentlicher Verkehr) auf 40% bzw. den Radverkehrsanteil auf 10% zu steigern. Der Anteil des Fußgängerverkehrs soll, vom derzeitigen hohen Niveau ausgehend, noch verbessert werden."

Das sind, kurz und bündig, die Vorstellungen zur Zukunft des Auto-Verkehrs in Wien im rot-grünen Koalitionsabkommen. Der Ausbau der Tempo-30-Zonen wird geprüft, ebenso wie die Schaffung neuer Fußgängerzonen geprüft werden. Beim Bau von Wohnsammelgaragen hat künftig verpflichtend eine Anrainerbefragung durch den Bezirk "nach den von der zuständigen Magistratsdienststelle vorgegebenen Kriterien" zu erfolgen.

Parkpickerl ausweiten

Und dann ist da noch das emotional debattierte Bekenntnis zu einer möglichen Ausweitung der "Parkpickerl-Zonen". Eine Ausweitung der sogenannten Parkraumbewirtschaftung kann jedoch nur mit Zustimmung der Bezirksvertretungen eingeführt werden. Und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl meinte heute im Ö1-Mittagsjournal, eine Ausweitung der parkscheinpflichtigen Zonen stehe "zurzeit nicht zur Diskussion". Definitiv nicht kommt in der neuen Koalition ein anderes grünes Herzensprojekt: "Die Einführung einer Citymaut ist in dieser Legislaturperiode nicht vorgesehen", heißt es im Abkommen.

Und doch: Die projektierten Änderungen sind genug, um die Emotionen vieler Autofahrer zum Köcheln zu bringen.

Autofahrer unter Beschuss?

Wie zu erwarten, sind die Automobil-Lobbys skeptisch angesichts der rot-grünen Verkehrspläne. Befürchten Sie, dass Autofahrer sozusagen Menschen zweiter Klasse werden? "Das ist auf jeden Fall schon so, denn die Autofahrer wurden bereits mehrmals zur Kasse gebeten ohne Alternativen anzubieten - das erwarte ich mir nicht von einer grünen Stadträtin", warnt ARBÖ-Wien Geschäftsführer Günther Schweizer. Und Martin Hoffer, Jurist beim ÖAMTC stimmt ein: "Wer sagt, dass Autofahrer nicht jetzt schon Menschen zweiter Klasse sind? Autofahrer sind bereits Letzte in der Hierarchie. Die Situation ist schon jetzt suboptimal."

Quoten mag man nicht

Und wie stehen die Autofahrer-Vertreter zu dem angepeilten Ziel, den motorisierten Individualverkehr um ein Drittel zu verringern? ÖAMTC-Jurist Hoffer: "Ich kann mit dieser Quote wenig anfangen. Das sind Zahlen, deren Zusammenhang zu hinterfragen sind." Die Bemessungsgrundlage sei "fragwürdig". Die Tendenz, den Verkehr auf Öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern, finde man nicht prinzipiell schlecht. "Wir sind aber klar gegen Zwangsmaßnahmen."

Beim ARBÖ verweist man auf den ‚Masterplan Verkehr‘ bis 2020. "Wenn Maria Vassilakou die darin festgelegten Ziele ändert, braucht sie auch neue Maßnahmen. Wir sind schon sehr gespannt, welche konkreten Maßnahmen die neue Stadtregierung vorschlagen wird. Die bisher veröffentlichten Ziele sind noch sehr schwammig", so Schweizer. Und auch er hält nichts von Zwang: "Ich halte wenig von einer Peitsche in der Politik. Wenn die Regierung den motorisierten Verkehr reduzieren will, muss sie auch Alternativen beim öffentlichen Verkehr bieten, um die Senkung auszugleichen".

Grüne wollen "Anreize schaffen"

Die Grünen sind jedenfalls bemüht, die autobegeisterten Wiener nicht schon jetzt komplett zu verschrecken, bevor die Stadtregierung überhaupt angelobt ist. Maria Vassilakou kommentierte ihre Verkehrspolitik bei der Unterzeichnung des Koalitionspaktes wie folgt: "Grüne Verkehrspolitik bedeutet, Anreize zu schaffen, das Auto zu Hause zu lassen." In einigen Jahren, so die Wiener Vizebürgermeisterin, könne es sogar sein, dass auch "Autofahrer begeistert sind", nicht zuletzt weil weniger Autos auch weniger Staus bedeuten würden. Das Wort Zwang, vor dem sich die Lobbys so fürchten, kommt nicht vor. (Anita Zielina, Daniela Neubacher, derStandard.at, 16.11.2010)