Wien - Der Verein Medienjournalismus Österreich (MÖ), dem Journalisten der meisten Tageszeitungen, Wochenmagazine, Nachrichtenagenturen und Fachmedien angehören, hat am Dienstag gegen das Mitschneiden von Journalistengesprächen rund um die jüngste ORF-Stiftungsratssitzung protestiert. Darüber hinaus wiesen die Medienjournalisten Vorwürfe des ORF-"Bashings" zurück.

"Wir finden es inakzeptabel, wenn O-Töne, die in informellen Gesprächen zustande kommen, von Pressestellen kommentarlos aufgezeichnet werden", erklärten die Medienjournalisten. Es habe sich bei den Mitschnitten auch nicht um offizielle Gespräche der ORF-Direktoren mit Journalisten oder Pressekonferenz-ähnliche Situationen gehandelt, sondern um Unterhaltungen im Plauderton, die mit der aktuellen Stiftungsratssitzung teils nichts zu tun hatten. "Hier wurden mit einem hoch professionellen Aufnahmegerät, das auch Gespräche außerhalb normaler Hörweiten gut verwertbar macht, informelle Hintergrundgespräche belauscht."

Vehemente Kritik gab es auch an den Aussagen von ORF-Kommunikationschef Pius Strobl in der heutigen Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung". Dort begründet der Leiter der ORF-Öffentlichkeitsarbeit das Mitschneiden von Journalisten- und Direktorengesprächen bei der jüngsten Stiftungsratssitzung unter anderem damit, dass man habe sehen wollen, was die Journalisten aus den O-Tönen der Direktoren machen. "Bedauerlicherweise gibt es ja einige, die haben ihre negative Geschichte gegen den ORF immer schon im Kopf - ganz gleich, ob etwas Positives gesagt wird", wurde Strobl darin zitiert.

Diese Aussagen legen nach Meinung der Medienjournalisten den Verdacht nahe, dass es nicht - wie zunächst behauptet - um einen internen Bericht für die ORF-Mitarbeiter ging, sondern darum, die Arbeit der Medienjournalisten und der Direktoren zu kontrollieren. "Es ist völlig indiskutabel, dass uns und unserer Arbeit im ORF nachspioniert wird", so die MÖ-Kritik.

Der Verein Medienjournalismus Österreich bezwecke die Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber der Medienlandschaft, zu der auch der öffentlich-rechtliche ORF gehört. Dass nun dem Überbringer negativer Nachrichten von Strobl und zuletzt indirekt auch von ORF-Chef Alexander Wrabetz vorgeworfen werde, ganz bewusst negative Berichterstattung über den ORF in die Welt zu setzen, sei Unsinn und zurückzuweisen. Den Medienjournalisten gehe es um das Herstellen von Öffentlichkeit nach rein journalistischen Kriterien, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft unter Verhältnissen der Pressefreiheit Usus sind - jene Pressefreiheit, auf die sich der ORF in eigener Sache gerne berufe. (APA)