Wien - ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz, der mit seiner harschen Kritik am Mitschneiden von Journalisten- und Direktorengesprächen rund um die jüngste ORF-Stiftungsratssitzung für Aufsehen gesorgt hatte, sieht von einer Anzeige gegen ORF-Kommunikationschef Pius Strobl zunächst ab. "Ich kann mir das derzeit nicht vorstellen", sagte Lorenz am Dienstag der APA. "Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt."
Abhängig will er allfällige Schritte unter anderem davon machen, was bei der kommenden Geschäftsführungssitzung am Donnerstag beschlossen werde. Außerdem habe er noch nicht mit Generaldirektor Alexander Wrabetz über die Causa gesprochen und wolle ihm nichts über die Medien ausrichten, so Lorenz.
Laut österreichischem Strafrecht ist der "Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten" ein Delikt. In Paragraf 120, Absatz zwei des Strafgesetzbuches findet sich dazu folgender Passus. Zu bestrafen sei "wer ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht". Der "Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten" ist kein Offizialdelikt, das heißt die Staatsanwaltschaft kann nur bei Anzeige aktiv werden.
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky hatte am Montag in der Causa nach dem Staatsanwalt verlangt. Strobl präzisierte unterdessen in der "Süddeutschen Zeitung", die von ihm in Auftrag gegebenen Aufzeichnungen hätten zur "internen Bewertung" gedient. Er habe gehofft, "dass in dieser äußerst sensiblen Situation das Stimmungsbild einer geschlossenen Geschäftsführung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses hätte transportiert werden können", sagte Strobl zu der Zeitung. Außerdem habe er sehen wollen, was die Journalisten aus den O-Tönen der Direktoren machen. "Bedauerlicherweise gibt es ja einige, die haben ihre negative Geschichte gegen den ORF immer schon im Kopf - ganz gleich, ob etwas positives gesagt wird."
Ursprung des neuerlichen Wirbels in der ORF-Geschäftsführung war eine Mitarbeiterin des ORF, die vor dem Stiftungsratssaal am vergangenen Donnerstag im Auftrag von Kommunikationschef Pius Strobl Gespräche von Journalisten mit Direktoren mitschnitt. Programmdirektor Wolfgang Lorenz sprach deshalb von einem "Abhörskandal" und forderte vom ORF-Generaldirektor Konsequenzen. Strobl rechtfertigte dies am Wochenende damit , dass man "eine Art Stimmungsbericht" für die Kollegen in den Bundesländern habe machen wollen. "Alle Aufnahmen wurden vernichtet, nachdem ich gehört hatte, was passiert ist", sagte Strobl. (APA)