Ein heißes Thema bei Kartellrechtsverstößen ist die Frage, ob Schadenersatzansprüche gegen die Rechtsverletzer erhoben werden können. So einfach sich diese Frage mit Ja beantworten lässt, so schwierig erweist sich die Durchsetzung der Ansprüche in der Praxis. Besonders brisant ist der Aspekt der Verjährung. Denn was nützt der beste Anspruch, wenn man ihn nicht (mehr) geltend machen kann?

Für Schadenersatzansprüche auf Basis von Kartellrechtsverstößen gilt die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kenntnis des Schädigers bedeutet im Wesentlichen, den Ersatzpflichtigen zu kennen. Kenntnis des Schadens bedeutet das objektive Bekanntsein aller für die Entstehung des Schadens maßgeblichen Tatumstände, unter anderem des Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten.

Nach der Rechtsprechung beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt so weit bekannt ist, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestrengt werden kann. Er darf damit jedoch nicht so lange warten, bis er den Prozess zu gewinnen glaubt. Kenntnis der genauen Schadenshöhe ist nicht notwendig. Die Verjährungsfrist beginnt daher jedenfalls, sobald die Möglichkeit der Erhebung einer Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Schadens besteht. Überdies besteht eine Erkundigungspflicht des Geschädigten: Dieser darf es nicht darauf ankommen lassen, dass die relevanten Informationen irgendwann an ihn herangetragen werden.

Wann beginnt die Frist?

Nun liegt es aber in der Natur des kartellrechtswidrigen Verhaltens, dass es nicht allgemein bekannt ist. Geschädigte stehen vor dem Problem, dass sie nicht Partei des Kartellverfahrens sind und oft nur zufällig vom Verstoß erfahren. Zur Frage, wann genau die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche zu laufen beginnt, gibt es die Ansicht, der Geschädigte hätte bereits mit der erstinstanzlichen Entscheidung des Kartellgerichts (KG) bzw. deren Veröffentlichung auf der Homepage der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) die nötige Kenntnis für die Einbringung einer Feststellungsklage erlangt. Dies würde jedoch auf eine Verpflichtung hinauslaufen, die BWB-Website regelmäßig zu konsultieren. Dies findet sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung und würde wohl dem Grundsatz, dass die Erkundigungspflicht nicht überspannt werden dürfe, zuwiderlaufen.

Wird der Gerichtsentscheid überdies in vollem Umfang bekämpft, steht bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht einmal fest, ob das inkriminierte Verhalten tatsächlich rechtswidrig ist. Dies ist jedoch Grundvoraussetzung jedes Schadenersatzanspruches.

Gefährlich im Sinne der Verjährung kann es für geschädigte Unternehmen werden, wenn über den Kartellrechtsverstoß in den Medien berichtet wird. Hier kommt es wesentlich auf den Inhalt der Berichterstattung an. Unbestimmte und allgemein gehaltene Medienberichte lösen den Lauf der Verjährungsfrist nicht aus. Sind die Informationen jedoch derart verdichtet, dass daraus für den Geschädigten erkennbar wird, dass auch seine Geschäftsbeziehung vom Kartellrechtsverstoß betroffen sein kann, so gilt die Pflicht, Erkundigungen einzuholen. Dafür stehen angemessene Zeiträume zur Verfügung.

Die Frage, was angemessen ist, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig, zumal die Beschaffung von genaueren Informationen bei Kartellfällen schwierig ist, vor allem solange das Verfahren noch läuft. Eine veröffentlichte letztinstanzliche Entscheidung sollte keinesfalls übersehen werden. Auch dann wird noch Zeit zugestanden, um diese Entscheidung hinsichtlich der Chancen einer erfolgversprechenden Klagsführung zu prüfen - aber nicht sehr viel. (Daniela Karollus-Bruner, Thomas Böhm, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.11.2010)