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Ein provisorisches Budget, das hoffentlich nicht wie ein Kartenhaus zusammenbricht.

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Der Knackpunkt ist der Kampf um die Budgethoheit.

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"Extrem enttäuscht" vom nächtlichen Scheitern der EU-Budgetverhandlungen zeigte sich am Dienstag Kommissionschef José Manuel Barroso. "Schwer enttäuscht" äußerte sein Gegenüber im Europäischen Parlament, Jerzy Buzek, kein Verständnis dafür, dass "nur einige wenige Mitgliedstaaten" die Tür zu einem Kompromiss zugeschlagen haben. Das sei einfach "unakzeptabel", so Buzek.

Die Äußerungen an der Spitze der beiden wichtigsten Gemeinschaftsinstitutionen gab ganz gut wieder, was quer durch alle politischen Lager auf Abgeordneten wie auch Expertenebene am Tag danach diskutiert wurde: Es sei sachlich eigentlich kaum nachvollziehbar und schwer begründbar, warum man den Budgetansatz für das Jahr 2011 nicht rechtzeitig und formgerecht verabschiedet habe. Denn die Zahlen - ein jährliches Budget von 126,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr - also die von den Regierungschefs selbst geforderte moderate Erhöhung der Ansätze vom Vorjahr sei (angesichts deutlich gestiegener Aufgaben der EU mit dem Lissabon-Vertrag) von allen Seiten bereits akzeptiert worden.

Nun muss die Union zumindest zu Jahresanfang 2011 mit einem Budgetprovisorium, der Zwölftel-Regelung, arbeiten. Dies ergäbe sich zwingend aus den EU-Verträgen, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. Es bedeutet, dass jeden Monat nur jene Summen zur Auszahlung gelangen könnten, die auch im abgelaufenen Jahr verbraucht wurden. Unangenehmer Nebeneffekt: Neue Projekte oder Politiken, außergewöhnliche Ereignisse können unter Umständen nicht ausreichend finanziert werden. Am meisten leiden vermutlich die größten Nutznießer der EU-Hilfen, Polen ebenso wie die Entwicklungsländer.

Im Agrarbereich, der fast die Hälfte des Budgets ausmacht, werde es zunächst dennoch kaum Auswirkungen geben, betonte der Vorsitzende des Agrarausschusses, "denn die Zahlungen an die Bauern erfolgen in der Regel im Herbst". Das eine oder andere Förderprojekt werde vielleicht mit Zahlungsverzögerungen rechnen müssen, hieß es in der Kommission, aber zunächst sei die Sache halb so schlimm.

Diplomaten müssen leiden

Am ehesten könnte es bei dem neu zu schaffenden Auswärtigen Dienst (EAD) Probleme geben. Dieser startet offiziell mit 1. Dezember, tausende Diplomaten müssen in neue Strukturen übergeführt werden. Aber: Auch beim EAD verfügt man für die nächsten Monate über ausreichend Mittel.

Um in einem neuen Anlauf trotz allem zu einer raschen Lösung zu kommen, will die Kommission bereits in zwei Wochen einen neuen Vorschlag auf den Tisch legen. Dieser wird, was die Zahlen betrifft, de facto mit den bisherigen Plänen (die vom Finanzministerrat schon einmal abgesegnet wurden) übereinstimmen.

Der eigentliche Knackpunkt werden jedoch zwei Forderungen der Parlamentarier bleiben, zu dessen Lösung die Kommission wenig beitragen kann. Das Parlament verlangt vom EU-Rat der Mitgliedstaaten eine Budgetreserve von 0,03 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU, das sind 3,5 Milliarden Euro für unvorhergesehene Ausgaben. Über die Vergabe soll im Rat mit einfacher (statt wie bisher mit Zwei-Drittel-Mehrheit) abgestimmt werden. Großbritannien und die Niederlande lehnen das bisher strikt ab.

Und das EU-Parlament will mitgestalten bei der Erstellung des Finanzrahmens für 2013 bis 2020. Auch dabei wollen sich die Staaten nicht dreinreden lassen. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2010)