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WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach.

Foto: APA/dpa/Tschauner

STANDARD: Sie kommen am nächsten Wochenende nach Wien, um über die Wechselwirkungen von Politik und Medien zu sprechen. Sie kennen beide Seiten gut - zunächst als Politiker, nun als Medienmanager. Wenn Sie aus ihrer heutigen Position zurückblicken, würden Sie sagen, Sie sind als Politiker auch zu weit gegangen im Versuch, Medien zu beeinflussen?

Hombach: Medien sind für die Politik wegen ihres Enthüllungscharakters unbequem. Als Wahlkämpfer bin ich nicht morgens wach geworden und habe mir überlegt: Wie informiere ich die Medien heute möglichst neutral und umfassend? Ich habe im Wahlkampf - das gestehe ich - daran mitgewirkt, andere zu skandalieren. Ich selbst wurde auch sehr heftig skandaliert. Die Verfahren dauerten acht Jahre, bis der Bundesgerichtshof final entschied, dass an den Vorwürfen gegen mich nichts dran ist. Ein seltener Freispruch erster Klasse. Ich kenne also alle Perspektiven.

STANDARD: Gibt es einen gemeinsamen Schluss?

Hombach: Die Quintessenz meiner Erfahrung ist: Enthüllungsjournalismus kann zu Kollateralschäden führen, es kann vorkommen, dass man jemandem Unrecht tut. Aber das steht in keinem Verhältnis zu seinem Nutzen. Auf dem Balkan wie im Westen gilt: Nichts diszipliniert Politiker so sehr wie die Fähigkeit von Medien, etwas zu enthüllen, transparent zu machen, das Mächtige und Machthaber nicht transparent gemacht sehen wollen. Selbst Gesetze und Regeln sind nicht so wirksam wie die Drohung mit Veröffentlichung. Deshalb deute ich Kants kategorischen Imperativ - Was passiert, wenn es alle tun? - für die heutige Mediengesellschaft um in: Was ist, wenn es rauskommt? Die glaubwürdige und enthüllungsfähige Qualitätspresse ist unverzichtbare Säule des demokratischen Gefüges.

STANDARD: Den Medien wird aber zugleich vorgeworfen, mit ihrer ständigen Kritik Parteien- und Politikverdrossenheit zu schüren.

Hombach: Es sind die Zustände und nicht die Berichte, die bei den Menschen Verdruss auslösen. Neu bei uns ist, dass Institutionen und Verfahren einem Delegitimationsprozess unterliegen. Hier finden Medien - besonders "vor Ort" - eine wichtige Rolle: Konflikte offenbaren, moderieren und dadurch handhabbar machen.

STANDARD: In Wien diskutieren Sie unter anderem mit Ezio Mauro, dem Chefredakteur von La Repubblica. Der hat mit der italienischeren Politik handfestere Probleme.

Hombach: Herr Berlusconi hat ein besonderes Verhältnis zu den Medien, Herr Sarkozy, wie man hört, auf andere Weise auch. Diese Probleme kennen wir - Gott sei Dank - nicht. Da habe ich als Deutscher fast nur Langweiliges beizutragen.

STANDARD: Die Frage von vorhin, nur umgekehrt: Gehen auch Medien nach Ihrer Beobachtung zu weit in ihrem Einfluss oder ihren Einflussversuchen auf die Politik?

Hombach: Ernsthafte, nachhaltig wirksame Einflussversuche der Medien auf die Politik kann ich nicht erkennen. Zu kritisieren wäre, wenn Medien nicht ordentlich recherchieren, handwerkliche Fehler machen. Die Veröffentlichung von Wahrheiten kann nie zu weit gehen. Wenn die Wahrheit Einfluss auf die Willensbildung hat - na dann.

STANDARD: Sie sind in Österreich insbesondere an der „Kronen Zeitung" beteiligt, der man schon oft vorwerfen konnte, sie versuche Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Hombach: Von den 50 %-Partnern der Kronen Zeitung wurde unser Recht auf redaktionellen Einfluss immer bestritten und abgeblockt. Um eine spätere Vereinbarung, wonach die WAZ Mediengruppe einen geschäftsführenden Chefredakteur stellen kann, gibt es ein laufendes Verfahren. Krone-Themen werde ich vermeiden.

STANDARD: In Österreich diskutieren Politik, Medien und Justiz gerade intensiv über Medienrecht und Selbstkontrolle der Branche. Sehen Sie da grundsätzlich Defizite?

Hombach: Die Instrumente in Deutschland reichen völlig aus. Mit Hingabe beschäftigen sich die Politiker in Parteien und den Parlamenten wie immer schon mit den alten Medien. Die Onlinewelt bleibt weitestgehend außerhalb der politischen Diskussion. Jene Onlinewelt, die unsere gesellschaftlichen Werte häufig auf den Kopf stellt, unsere Medienlandschaft revolutioniert, in der Inhalte ewig auffindbar sind, in der Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte nicht durchgesetzt sind. Diese Ignoranz der Politik macht mich fassungslos. Wie Generäle, die im Sandkasten historische Schlachten mit Zinnsoldaten nachspielen, befasst sie sich mit überholten Themen. Daneben rollt eine Welle, in der nicht mehr gilt, was der Medienpolitik gut und teuer war.

STANDARD: Dem kann man entgegenhalten: Blogger, Bürgerjournalisten tragen zur Kontrolle der alten Medien bei.

Hombach: Ich hatte die Hoffnung auf eine neue Medienkultur durch Blogger. Lob der Bürgerpartizipation und völlig neue Formen der Mitwirkung sind mir dazu schon aus der Feder gekommen. Die Realität ist leider eine andere. Anonymität verführt zur Beliebigkeit. Der Wahrheitsgehalt ist zu oft fragwürdig.

STANDARD: Wie könnte man dem begegnen, meinen Sie?

Hombach: Eine aufmerksame gesellschaftlich-politische Diskussion, wie sie über die alten Medien schon immer geführt wird, muss beginnen: Persönlichkeitsschutz, die wirksame Korrektur von Falschmeldungen und Diffamierungen, die Fragen wie: Gibt es einen Radiergummi im Internet, Privatheit, Datenschutz und vieles mehr.

STANDARD: Sie befassen sich in Vorträgen oft mit politischen, sozialen Fragen der Medien. Das erweckt den Eindruck, das Management von Medien stünde nicht im Vordergrund, jedenfalls nicht alleine.

Hombach: Ich bin Medienmanager. Wer Zeitungen als Manager betreut und sich nicht für Inhalte verantwortlich sieht, hat das Produkt nicht verstanden. Zeitung ist kein Kühlschrank und kein Automobil. Was Qualitätsjournalismus ist, müssen unsere Chefredakteure und leitenden Redakteure definieren. Aber ich muss ihn möglich machen.

STANDARD: Sie verweisen oft auf den einen Ehrenkodex, den die WAZ ihren Medien 2007 verordnet hat. Der verpflichtet etwa zur sauberen Trennung von Werbung und Redaktion. Medienblogger werfen der WAZ vor, redaktionelle Berichte ihrer Medien über den Handytarif der WAZ wären praktisch reine Werbung.

Hombach: Von diesen Vorwürfen weiß ich nichts. Wir haben einen Ombudsmann, der solche Fragen sehr streng prüft. Den werde ich fragen. Wenn wir darüber berichten, dass die Stiftung Warentest "wir mobil" als günstigsten Handytarif einstuft, sehe ich darin kein Problem. Mich hat schockiert, dass die EU die bisher untersagte Schleichwerbung in Filmen erlaubt, wenn man das im Vorspann erwähnt. Das ist ein Kulturbruch. Das wird langfristig schlimme Folgen haben.

STANDARD: Noch einmal zurück zum Verhältnis Politik und Medien. In Serbien machen Sie da mit Verlagsbeteiligungen neue Erfahrungen.

Hombach: Wir haben in Serbien von der Politik beeinflusste bürokratische Abläufe erlebt, die undurchschaubar und willkürlich wirken. Wir hoffen, dass sich das ändert, weil sich das Land europäischen Spielregeln annähern will. Unsere Entscheidung, unser Investment dort geordnet und unter Wahrung unserer wirtschaftlichen Rechte aufzugeben, bleibt bestehen.

STANDARD: Dass Sie Anteile an einem Zeitungsverlag dort über einen Treuhänder erworben haben, der sie nun nicht herausgibt, ist in Europa auch eher unüblich.

Hombach: Unter den Verhältnissen, die wir vorgefunden haben, und der Praxis an der Belgrader Börse, war das zwingend. Unser schriftlichen Wunsch, Aktien zu erwerben, wurde vom Börsenvorstand nicht einmal beantwortet. Uns wurde klargemacht, dass wir sie ausschließlich über einen serbischen Partner erwerben könnten.

STANDARD: Hatte das nicht auch kartellrechtliche Gründe?

Hombach: Die spielen keine Rolle, weil wir keine marktbeherrschende Stellung bekommen würden. Wir setzen nun auf die neu formierte Kartellkommission und rechtsstaatliches Verhalten.

STANDARD: Der Rückzug aus Serbien ist fix, in Rumänien haben Sie Ihre Anteile verkauft. Thema war Rückzug auch schon für die übrigen WAZ-Engagements in Ostmitteleuropa, also Ungarn, Kroatien, Mazedonien und Russland. Wie ist da der Stand?

Hombach: Wir sind - wie vor Wochen angekündigt - dabei, unsere Beteiligungen in Südosteuropa zu überprüfen, so wie jedes vernünftige Unternehmen seine Beteiligungen regelmäßig auf Werthaltigkeit, Erwartung und auf ihren strategischen Sinn überprüft.

STANDARD: Aber grundsätzlich bestünde Bereitschaft zum Verkauf?

Hombach: Prüfung heißt, wir haben uns weder zu dem einen noch zu dem anderen entschlossen. Wenn die Konditionen sehr attraktiv sind, können Sie davon ausgehen, dass die Bereitschaft da ist. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 17.11.2010; Langfassung)