Josef Pröll ist ein guter Schauspieler. Der Finanzminister führte am Dienstag das Solostück vom stren- gen Gläubiger, der seine Schuldner tadelt, auf. Griechenland ist hinter seinem mit EU und Internationalem Währungsfonds vereinbarten Zeitplan beim Sparkurs zurückgefallen. Athen macht mehr Schulden als erlaubt.

Pröll drohte damit, die nächste Tranche der Griechenlandhilfe nicht auszuzahlen. So machen das eben Gläubiger in normalen Fällen, Staaten wie Banken. Sie drohen und pfauchen, am Ende des Tages erstrecken sie die Fristen meist doch: lieber ein angeschlagener als ein toter Schuldner.

Nur ist die Schuldenkrise in der Eurozone leider kein Normalfall mehr, was Pröll allzu gut weiß. Nach der letzten Korrektur bei seinen Defizitzahlen steht fest, dass Griechenland mit fast 130 Prozent seines Bruttonationalprodukts verschuldet ist. Bis zum Jahr 2015 muss Griechenland Schulden von 140 Milliarden Euro zurückzahlen, hinzu kommen Zinszahlungen von 90 Milliarden. Das Ganze findet vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Wirtschaft statt. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass das wohl nicht gutgehen kann.

Das ist nicht der einzige Pleitefall in der Eurozone. Auch Irland steht am Abgrund. Die Schuldenquote des Landes soll aufgrund der Bankenhilfen bis 2016 auf 150 Prozent des BIPs hochsegeln. Die Märkte bewerten irische Anleihen in einer Klasse mit jenen aus Pakistan und Venezuela. Irische Ökonomen rechnen mit einer Pleite, und zwar ob mit oder ohne Rettungsschirm.

Unter diesen Prämissen kann die Politik derzeit nicht viel mehr tun, als Zeit zu kaufen; so gesehen ist das Pröll'sche Schauspiel nicht unvernünftig.

Aber die Eurozone müsste sich zugleich für die nächste Pleitewelle wappnen. Gläubiger müssen dazu verpflichtet werden, sich an den Kosten für die Pleitefälle zu beteiligen. Das klingt einfach, würde aber einen Bruch mit der bisherigen Praxis darstellen. Zuerst standen die Banken vor der Pleite. Der Steuerzahler fingen sie auf. Dann ging es mit den Staaten los. Wieder mussten die Steuerzahler - aus anderen Ländern - einspringen.

Das muss enden. Im Rahmen der G-20 wird bereits versucht, ein Modell für eine grenzüberschreitende Bankenabwicklung auszuarbeiten. Dasselbe ist für Staaten notwendig. Ein geregeltes Konkursverfahren, bei dem ein Teil der Schulden gestrichen wird, ist in der Marktwirtschaft üblich. Wer sein Geld falsch investiert, muss es verlieren können.

Bemerkenswerterweise wurde der deutsche Vorstoß für ein Staateninsolvenzrecht von irischer Seite am heftigsten attackiert. Irland wäre wahrscheinlich ein Hauptprofiteur eines solchen Modells. Doch allein schon die Diskussion hat die irischen Zinskosten nach oben getrieben und das Land weiter ins Wanken gebracht. Aber bei aller Empathie: Wann, wenn nicht jetzt, soll die Debatte geführt werden? Die Schuldenkrise wird andauern. Wer sagt, dass der Markt in zwei Jahren nicht genauso panisch reagiert? Schade ist, dass Berlin zurückgerudert ist und nun erklärt, die Gläubigerbeteiligung bei Staateninsolvenzen werde nur in ferner Zukunft kommen.

Das ist zu wenig. Ewig kann das Schauspiel nicht währen. Die Politik wird zudem irgendwann beginnen müssen, zu erklären, dass auch wir als Gläubiger Griechenlands wohl nicht unser ganzes Geld wiedersehen werden. Das ist sehr unerfreulich, aber nichts im Vergleich zu dem, was da noch auf Iren und Griechen zukommt. (DER STANDARD; Printausgabe, 17.11.2010)