Ewa Zbaraza kam 1981 nach Österreich, einen Monat bevor in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Zunächst fand sie in Niederösterreich Arbeit als Erdbeerpflückerin.

Foto: Eva Zelechowski

Wenn der Autobus der Linie 14A bei der Station Schadekgasse hält, kann es schon mal vorkommen, dass der Fahrgast binnen Sekunden zum Kunden wird und eine Kreation der Marke "Ewa" in der Hand hält. Versteckt hinter der Busstation geht es hinab ins Souterrain, wo die Geschäftsfrau und Designerin Ewa Zbaraza in ihrem 2nd Hand Shop "Hotkultur" seit 1996 Original-Mode aus den 70-ern und ihre geschneiderten Kleider an die selbstbewusste Kundschaft bringt. Die forsche Polin ist nicht zu überhören. Immer ist sie am Plaudern, mit der Kundschaft, den Mitarbeiterinnen oder Freunden, die sie besuchen.

Kehrtwende kam mit dem Putzen

Ewa Zbaraza kam 1981 nach Österreich, einen Monat bevor in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Zunächst fand sie in Niederösterreich Arbeit als Erdbeerpflückerin. Sie war Anfang 20 und sparte ihren Lohn bis sie sich eine Wohnung in Wien leisten konnte. Hier arbeitet sie als Putzfrau bis ihr Leben schließlich eine Kehrtwende nahm. "Eine ältere Dame, bei der ich putzte, wusste, dass es immer mein Traum war, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Sie hat mir damals 5000 Schilling für die erste Kaution eines Geschäftslokals geschenkt", erzählt Zbaraza von den Anfängen ihrer Selbstständigkeit.

Brennen für die Seventies

"So fing 1992 alles langsam an und das Geschäft lief super. Vor allem, als ich mir eine Nähmaschine kaufte und z.B. kostenloses Kürzen als Service anbot. Die Kleidung aus den 70er Jahren hat mir immer schon gefallen. Die hat Pepp und lebt irgendwie aus sich heraus", schwärmt Zbaraza und zündet sich eine Zigarette an. An jedem ihrer Finger steckt ein Ring, die Nägel sind dunkelrot lackiert. Sie sitzt auf ockerfarbenem Fauteuil, umringt von asymmetrischen Röcken und exzentrischen Blusen. Sie selbst trägt eines ihrer Kleider, Legwarmer und einen schwarz-weißen Mantel. Mit dem Outfit scheint sie nahtlos in ihre Kollektion überzugehen.

In den 90ern erlebten die schrillen Polyacryl-Trends aus den 70-ern ein Revival, doch das sei jetzt höchstens im Fasching aktuell, meint die Mutter zweier Töchter.

DJs und polnischer Wodka

Mit dem verblassenden Charme der Retro-Mode schwand auch die Kundschaft. Dem wollte Zbaraza mit einer neuen Geschäftsidee entgegenwirken. Sie renovierte ihren Shop zu einer Bar um, es wurden DJs angeheuert und in der Nacht ging mit importiertem polnischen Wodka die sprichwörtliche Post ab. "Vom Freitags- und Samstagsumsatz ließ sich aber die Miete nicht bezahlen. Also war nach drei Jahren Feiern Schluss", erklärt sie.

Die Theke, an der 2007 noch DJs an ihren Mischpults standen, schlängelt sich heute noch durch das halbe Kellerlokal. In ihrem bunten Neonlicht wirkt sie wie ein herausgeputzter Präsentationsstand für High-Heels, die auf gestapelten Schuhkartons auf Abnehmerinnen warten. "Das geplante Konzept, das Lokal tagsüber neben dem Shop-Betrieb als Café zu führen, ging nicht auf. Meine KundInnen haben mich wohl nur als 2nd Hand Shop angenommen", meint Zbaraza.

Bekannte, aber keine Freunde

Von ihrer Familie spricht sie nicht viel. Die Eltern und ihr Bruder blieben in Polen, ihre Schwester lebt inzwischen in Wien. Von ihrem Mann hat sich Ewa Zbaraza scheiden lassen, erzählt sie. Auf die Frage, ob sie aufgrund ihres Shops viel mit jungen Leuten zu tun hat oder Bekannte unter Landsleuten sucht, gibt die quirlige Frau eine überraschende Antwort: "Nein, ich habe kaum Freunde, Bekannte schon, aber ich suche keine Bekanntschaften."

Ewa Zbaraza sei enttäuscht worden, von ehemaligen FreundInnen und KundInnen, die sich verabschiedeten, als der Kaffee nicht mehr umsonst war. Sie habe das Vertrauen verloren, sagt sie. Mit der jungen polnischen Mitarbeiterin, die immer wieder nach Preisen fragt und von ihr "Perełka" (Polnisch für Perle) genannt wird, hält sie am meisten Kontakt. "Ein Mann hat ihr mal geschrieben, sie sei seine Perle und seitdem heißt sie bei uns Perle", lacht Zbaraza.

Kundschaft ab 25 Jahren

Die Klientel, die sich zwischen die gebrauchte Ware und Ewa's Schneidereien mischt, sei unterschiedlich. Ein Mann in den Vierzigern mit dunkler Sonnenbrille und Schlaghosen umrundet uns und peilt die Lederjacken an. Eine ältere Dame im Burberry Mantel fragt, wie viel der Rotkäppchen-rote Kapuzenmantel aus der Auslage kostet. Der Preis von 25 Euro scheint akzeptabel, aber an der Größe "Small" scheitert der Verkaufsversuch. "Hauptsächlich sind es aber junge Frauen ab 25, 30 Jahren, die sich für meine Mode interessieren. Sie haben schon einen eigenen Kleidungsstil entwickelt und wagen mehr als die jungen Mädchen", beklagt die Geschäftsfrau den "Einheitsbrei aus den Fabriken der Großkonzerne". Auch ihre Töchter teilen das Fable der Mutter für ausgefallene Designs nicht.

Bunt wie die Welt

"Meine Kleider sind meine Welt. Ich liebe es an der Nähmaschine zu sitzen und jedem einzelnen einen individuellen Touch zu verpassen. Ein Kleid von mir ist das einzige seiner Art auf der Welt, und genauso bunt wie die Welt ist, müssen auch Kleider sein, sonst ist ja alles gleich. Mir kommt es allerdings vor, dass die Menschen heute wenig Wert auf Individualismus legen", meint Ewa Zbaraza mit einem traurigen Unterton.

"Der Tag, an dem ich meine Angst verlor"

Aus ihren ersten Jahren in Österreich fällt ihr ein Erlebnis ein, bei dem sie sich aufgrund ihrer Herkunft ungerecht behandelt fühlte: "Ich hatte große Schwierigkeiten beim Magistrat einen Kindergartenplatz für meine Tochter zu erwirken. Schließlich bin ich ausgerastet und sagte im damals noch gebrochenem Deutsch, dass ich mich nicht so behandeln lasse, nur weil ich eine Ausländerin bin. Einen Tag später bekam ich einen Anruf und man bot mir einen Platz im Kindergarten an. Das war der Tag, an dem ich meine Angst vor den Österreichern verlor." (Eva Zelechowski, 17. November, daStandard.at)