London/Wien - Amnesty International hat das am Montagabend im iranischen staatlichen Fernsehen gezeigte Geständnis von Sakineh Mohammadi Ashtiani scharf kritisiert. Gezeigt wurden außerdem Erklärungen, in denen sich der Sohn der 43-Jährigen sowie zwei deutsche Journalisten selbst
belasten.

"Amnesty International ist der Ansicht, dass diese Erklärungen unter Zwang entstanden sind und nicht als Beweise gelten dürfen", sagte Malcolm Smart, bei Amnesty zuständig für Nahost und Nordafrika, am Dienstag. "Wenn die iranische Justiz ernstgenommen werden will, sollten TV-'Geständnisse' keinen Einfluss auf die Rechtsprechung haben."

"TV-Geständnisse" im Iran keine Seltenheit

Internationale Standards für ein faires Verfahren verpflichten auch den Iran, zu garantieren, dass niemand zu einem Schuldgeständnis oder zu belastenden Aussagen gegen sich selbst gezwungen wird, so Smart. "TV-Geständnisse" seien im Iran jedoch leider keine Seltenheit und würden von den Behörden dazu benutzt, inhaftierte Menschen zu belasten. "Viele widerrufen diese Aussagen später mit der Begründung, sie seien dazu gezwungen worden, manchmal durch Folter oder andere Misshandlungen", kommentierte Smart.

AI vermutet Beweismangel gegen Ashtiani

Amnesty International liegen laut Smart noch unbestätigte Berichte vor, dass Sakineh Mohammadi Ashtiani im Zentralgefängnis von Tabriz gefoltert und misshandelt wurde. Seit August 2010 darf sie keine Besuche mehr empfangen, weder von ihren Kindern noch von Anwälten. Das aktuelle, laut AI inszenierte Geständnis deute darauf hin, dass es den Behörden an Beweisen gegen Ashtiani mangelt. Bereits im August 2010 veröffentlichte ein iranischer TV-Sender ein Interview mit Sakineh Mohammadi Ashtiani, in dem sich die zweifache Mutter der Beteiligung an der Ermordung ihres Mannes bezichtigte.

Kritik an US-Protesten

Indes hat der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad bekundet, dass der Fall weiter untersucht werde: "Der Fall ist noch im Stadium der Prüfung", sagte Ahmadinejad am Donnerstag auf einer Pressekonferenz während seines Besuches in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. Die zuständigen Behörden seien "sehr kompetent und werden die richtige Entscheidung treffen", so der Staatschef.

Zugleich kritisierte er die Proteste der US-Regierung gegen die Verurteilung Ashtianis scharf. In den USA seien 53 Frauen zum Tode verurteilt, sagte der iranische Präsident. "Warum fordert nicht die ganze Welt, diese Frauen zu begnadigen?"

Vollstreckung durch Strang droht weiterhin

Ashtiani wurde 2005 im Zusammenhang mit der Ermordung ihres Ehemannes inhaftiert und erhielt zehn Jahre Haft wegen "Beihilfe zum Mord". Im September 2006 verurteilte sie ein Gericht zudem für "Ehebruch" zum Tod durch Steinigung - obwohl sie im Prozess das "Geständnis" zurückzog, das sie während der Verhöre vor Beginn des Verfahrens abgelegt hatte. Auf internationale Proteste hin kündigten die iranischen Behörden im September 2010 an, dass die Steinigung von Sakineh Mohammadi Ashtiani
"gestoppt" worden sei. Ihr droht jedoch weiterhin die Hinrichtung durch den Strang.

Freilassung gefordert

Amnesty International rief die iranische Regierung erneut auf, Sakineh Mohammadi Ashtiani umgehend freizulassen, falls sie nur aufgrund einvernehmlicher Sexualkontakte inhaftiert sei. Außerdem müssten alle Menschen, die sich mit friedlichen Mitteln für Ashtiani eingesetzt haben, darunter ihr Anwalt Houtan Kian und ihr Sohn Sajjad Qaderzadeh, "sofort und bedingungslos" freigelassen werden. (red)