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Vielleicht weiß ja die Dubliner Wahrsagerin, ob Irland nun Hilfe von der EU annehmen sollte oder nicht.

Foto: Reuters/Cathal McNaughton

Irland ist auf dem Weg unter den europäischen Schutzschirm. Es sei nicht auszuschließen, dass sein Land in der Schuldenkrise auf Unterstützung der Eurozone zurückgreifen müsse, räumte Irlands Finanzminister Lenihan am Mittwoch in Brüssel erstmals ein. Eine Entscheidung sei "dringlich". Für Donnerstag sind bereits Gespräche mit der EU, dem IWF und der Europäischen Zentralbank anberaumt. Auch Großbritannien will sich an der Hilfe für Irland beteiligen. Die Finanzminister der Eurogruppe hatten bereits bei ihrer Sitzung am Dienstagabend auf mögliche Finanzhilfen für das ins Trudeln gekommene Land gedrängt. Die Regierung in Dublin hatte sich bisher aber gegen eine Hilfe von außen gewehrt.

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London/Brüssel - Der irischen Regierung wächst die Einsicht, dass das Land eine EU-Finanzhilfe in Anspruch nehmen muss. Während Dublin die Unterstützung bis Dienstag noch kategorisch abgelehnt hatte, äußerte sich Finanzminister Brian Lenihan am Mittwoch schon zurückhaltender: Die Maßnahme sei "nicht unvermeidlich".

Bereits heute, Donnerstag, werden Experten einer "Troika" aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission gemeinsam mit der irischen Regierung an einem konkreten Programm zu arbeiten beginnen. Das war von den EU-Finanzministern in Brüssel so akkordiert. "Wir werden eng zusammenarbeiten zur Sicherung des irischen Bankensystems", kündigte Lenihan an.

Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, sagte dazu, die irische Regierung müsse sich "in den nächsten Tagen eine endgültige Meinung bilden".

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, man habe im Ministerrat vereinbart, zunächst einmal abzuwarten, zu welchem Schluss die Experten kämen. Es gehe nicht darum, Druck auf Irland auszuüben, sondern bereit zu stehen für den Eventualfall. Das sei Ausdruck der europäischen Solidarität.

Schäuble: Schnell handeln

Aber es gebe die klare Übereinstimmung, dass Vorbereitungen getroffen werden, wenn "die Möglichkeit besteht, schnell zu handeln" sagte Schäuble.

Und es gebe auch seitens der britischen Regierung klare Hinweise, dass diese sich finanziell beteiligen könnte, bestätigte er. Ein Novum. Die Briten hätten "nachbarliche Verantwortung" und Know-how bei Banken. Entsprechend geringer würde der Beitrag der Eurogruppe ausfallen.

Eine vergleichbare Gruppe von Experten hatte im Frühjahr Athen besucht, ehe die EU sich nach langem Hin und Her doch auf ein Hilfspaket für Griechenland einigte. Das nährte am Mittwoch in Brüssel die Überzeugung, dass es bei Irland schon von der Sache her nicht anders laufen werde: Dublin kann seinen Bankenkomplex allein vermutlich nie und nimmer absichern. Der britische Schatzkanzler George Osborne sprach vom "nationalen Interesse" seines Landes in diesem Zusammenhang. Großbritannien, das den Euro nicht hat, hält sich sonst extrem zurück in allen Fragen der Währungsunion.

Premierminister Brian Cowen betonte im irischen Parlament Dáil die energischen Sparanstrengungen seiner Regierung und berichtete, sein Land sei "wieder auf Wachstumskurs". Offenbar stellt man sich in Dublin auf harte Verhandlungen über den künftigen wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum ein: "Die irischen Steuerzahler mit Verpflichtungen in unbekannter Höhe zu belasten, kommt für uns nicht in Frage", sagte Finanzminister Lenihan. Kritiker werfen der nationalkonservativ-grünen Koalitionsregierung genau dies vor: Mit der uneingeschränkten Banken-Garantie und praktischen Verstaatlichung der illiquiden Anglo Irish Bank sowie Allied Irish Bank habe Dublin "einen riesigen Fehler" gemacht, analysiert ein Insider. Tatsächlich musste der Finanzminister dem verrotteten Bankensektor im September erneut unter die Arme greifen.

Die verstaatlichte Anglo Irish Bank wird die Steuerzahler bis zu 34 Milliarden Euro kosten, auch die zweitgrößte Bank des Landes, Allied Irish Bank (AIB), überlebt nur dank Staatshilfe. Wegen der immer neuen Verpflichtungen steigt Irlands Verschuldung in diesem Jahr auf 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP und dürfte auch 2011 noch bei 12 Prozent liegen. (Sebastian Borger aus London, Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2010)