Luxemburg/Brüssel - Der Europäische Gerichtshof hat eine "zwangsweise Pensionierung" einer bei der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt als leitende Ärztin beschäftigten 60-jährigen Frau als "verbotene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts" verurteilt. Es gebe keine beschäftigungspolitischen Rechtfertigungsgründe der Ungleichbehandlung gegenüber Männern, die mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen.

"Verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts"

Der österreichische Kollektivvertrag bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) sieht vor, dass Ärztinnen und Ärzte mit Erreichen des gesetzlichen Regelpensionsalters in den Ruhestand versetzt werden können, wobei die Altersgrenze für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren liegt. Nach Ansicht der RichterInnen eine unzulässige Ungleichbehandlung von Frauen: Der EuGH betont in seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil, dass eine "nationale Regelung, die einem Arbeitgeber erlaubt, zur Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung Arbeitnehmer zu kündigen, die einen Anspruch auf Alterspension erworben haben, eine verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn Frauen diesen Anspruch in einem Alter erwerben, das fünf Jahre niedriger ist als das Alter, in dem der Anspruch für Männer entsteht".

Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Die betroffene Ärztin war 2008 kurz nach Erreichen des 60. Lebensjahres in Pension geschickt worden. Sie focht ihre Kündigung an und unterlag in erster Instanz. Der Oberste Gerichtshof ersuchte daraufhin den EuGH um eine Vorabscheidung. In dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs heißt es, dass eine "Altersgrenze für das obligatorische Ausscheiden der Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Pensionierungspolitik eines Arbeitgebers unter den weit auszulegenden Begriff der Entlassung falle, auch wenn dieses Ausscheiden die Gewährung einer Altersrente mit sich bringt". Und bei den Bedingungen für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses "bedeutet die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Entlassungsbedingungen, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf". 

Sache der Sozialpartner

Das Sozialministerium hat gelassen auf das Urteil reagiert. Es handle sich dabei nicht um eine Pensionsfrage, sondern um eine rein arbeitsrechtliche Angelegenheit, hieß es aus dem Sozialministerium. Thema des Urteils sei ein Kollektivvertrag der PVA, der in Österreich Sache der Sozialpartner sei. "Selbstverständlich" werde das Urteil zu beachten sein und die Sozialpartner würden entsprechend dem Urteil eine diskriminierungsfreie Regelung schaffen, hieß es dazu im Büro von Minister Rudolf Hundstorfer. Der OGH werde auf Basis des EuGH-Urteils seine Entscheidung treffen.

"Durchbruch für die Frauen in Österreich"

ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer begrüßte das EuGH-Urteil als "Durchbruch für die Frauen in Österreich" und betonte, eine Frau dürfe nicht in die Pension gezwungen werden, wenn sie bis 65 arbeiten will. Betriebsvereinbarungen, die vorsehen, dass "ab dem Zeitpunkt eines möglichen Pensionsantritts das Dienstverhältnis endet", dürfen auf Frauen ab sofort nicht mehr angewendet werden", freute sich Aubauer. Sie will nun auch ausführlich darüber diskutieren, ob das gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen rascher als bisher geplant an jenes der Männer angepasst wird. (APA)