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Scheinfirmen, die nur zu Betrugszwecken gegründet werden, gibt es häufig in der Baubranche - aber keineswegs nur dort.

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Wien - Sie agieren hochprofessionell und können auf mafiaähnliche Strukturen zurückgreifen. Komplizierte Scheinfirmen-Konstrukte samt organisiertem Sozialbetrug beschäftigen seit Jahren die Prüfer bei der Sozialversicherung, der Finanz und der Polizei. Nun könnte der Kampf erschwert werden, warnt die Leiterin der Beitragsprüfung bei der Wiener Gebietskrankenkasse, Beatrix Bartos.

Anlass für ihre Kritik ist die von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner geplante Umstrukturierung der Staatsanwaltschaften. Ab Juni 2011 soll demnach die Korruptionsstaatsanwaltschaft zur "zentralen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität" werden. Dort sollen aber nur Fälle mit einer Schadenssumme von über fünf Millionen Euro landen.

Werde dieses Vorhaben umgesetzt, "wirft uns das auf den Status null zurück", sagt Bartos im Gespräch mit dem Standard. Denn: Selbst bei größeren Verfahren habe man am Anfang meist nur eine Schadenssumme von 300.000 oder 400.000 Euro, so Bartos. Somit wären aber "normale" Staatsanwälte zuständig, und denen fehle schlichtweg die Expertise für die hochkomplexen Betrugsfälle.

Zur Erklärung schildert Bartos typische Fälle. Ausgangspunkt sind in der Regel Scheinfirmen, so genannte Mantel-GmbHs. Was das heißt? Die Firmen sind vermögenslos und werden von Strohmännern mit gefälschten Dokumenten gegründet. Im Regelfall werden von den Betrügern 500 bis 700 Arbeitnehmer angemeldet - keineswegs nur am Bau, auch in der Schweißer-, Erdöl-, Stahlbranche oder in Solarien.

400.000 Euro Gewinn

Manche Mitarbeiter sind informiert, andere nicht. Was die Scheinfirmen immer auszeichnet: Sozialversicherungsbeiträge werden kaum oder gar nicht gezahlt, nach kurzer Zeit sind sie bankrott, die Geschäftsführer untergetaucht und die Mitarbeiter landen beim AMS oder beim Insolvenzentgeltfonds. Aus der langjährigen Erfahrung weiß man: Pro Scheinfirma machen die Betrüger rund 400.000 Euro Gewinn. Eng vernetzt sind sie mit Suchtgift- und Menschenhändlern sowie Waffenschiebern.

Die Ermittlungen dauern oft Jahre, inklusive Lauschangriff und Co. Man schätzt, dass es in Wien zehn bis 15 große Netzwerke gibt. Um an die Hintermänner zu kommen, brauche man Spezialisten. In den letzten Jahren habe man - gemeinsam mit Polizei und Justiz - entsprechend Expertise aufgebaut, sagt Bartos. Diese dürfe man nun nicht zerschlagen. Sie schlägt vor, zumindest die Schadensgrenze von fünf Millionen auf 300.000 Euro zu senken, damit die Sozialbetrugsfälle weiter von Wirtschaftsstaatsanwälten behandelt werden. Man brauche aber auch mehr Staatsanwälte.(Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 19.11.2010)