Als religiös motiviertes Ritual ist das "égorgement", das "Kehledurchschneiden", in Frankreich erlaubt. Das laizistische Land mischt sich eben nicht in die privaten Bräuche seiner Bürger. Umso vehementer laufen Tierschützer dagegen Sturm. Ihre wichtigste Exponentin, die ehemalige Schauspielerin Brigitte Bardot, protestiert jährlich anlässlich des Islamfestes Aïd El Kebir gegen die "wilde Schlachterei". Ihre offenen Briefe an Präsident Sarkozy sind aber bis heute ohne Antwort geblieben.

Für Polemik sorgte heuer die zweitgrößte französische Fastfoodkette Quick, als sie beschloss, in einigen ihrer Imbisslokale in Einwanderervierteln nur noch Halal-, das heißt korangerecht zubereitete Hamburger, anzubieten. Die Rechtsextremistin Marine Le Pen, aber auch zwei betroffene sozialistische und bürgerliche Bürgermeister in Roubaix und Marseille lehnten sich dagegen auf. Die zwei großen Parteien Frankreichs sind aber in dieser Frage gespalten. Der Fraktionschef der Sarkozy-Partei UMP, Jean-François Copé, stellte sich hinter Quick, "weil auch andere Restaurants Produkte anbieten, die ausschließlich für eine Gemeinschaft bestimmt sind" - gemeint sind die koscheren Menüs jüdischer Restaurants.

Indem die Regierung der Schächtfrage aus dem Weg geht, unternimmt sie kaum etwas gegen Missbräuche. Koschere Kost wird an sich von einer jüdischen Zentralstelle garantiert, Halal-Fleisch durch die Verifizierungsstelle der großen Moscheen in Paris und Evry. Doch nach Angaben der französischen Nahrungsmittelkontrolle ist mehr als die Hälfte des Halal-Fleisches nicht korangerecht zubereitet. Auf das während des Schächtens vorgeschriebene Gebet werde offenbar häufig verzichtet; meist komme nur eine Gebets-CD zum Einsatz. Zudem würden die Tiere vor dem Messerschnitt oft betäubt. Das widerspricht der Scharia. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 19. November 2010)