So sieht die Falle aus, mit der Physiker vom Cern rund eine Zehntelsekunde lang Antimaterie einsperrten.

Foto: Chukman So/ALPHA

Genf/Wien - Das, was man aus der populären Literatur von ihr weiß, hat in ihrem Fall besonders wenig mit der Realität zu tun. Die Rede ist von der rätselhaften Antimaterie, die in der Welt von Star Trek in Fusion mit Materie als Antrieb für den fiktiven Warp-Antrieb fungiert. Damit wäre dann, wie alle Trekkies wissen, Überlichtgeschwindigkeit möglich.

In Dan Browns Bestseller Illuminati wiederum haben Teilchenphysiker am europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf sichtbare Mengen der Substanz hergestellt. In Wirklichkeit sieht die Sache ziemlich anders aus.

Ganz grundsätzlich nimmt die Forschung an, dass wir und überhaupt das gesamte Universum unsere Existenz der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie verdanken. Da sich nämlich beide Formen der Materie gegenseitig auslöschen, muss es nach gängiger Lehrmeinung beim Urknall einen Überschuss an Materie gegeben haben.

Antimaterie kommt in der Natur allem Anschein nach nicht vor und kann bislang nur in aufwändigen Experimenten im Teilchenbeschleuniger künstlich erzeugt werden. 2002 gelang erstmals für wenige Sekundenbruchteile die Produktion eines Antiwasserstoffatoms bestehend aus einem Antiproton und einem Positron am Cern-Experiment Alpha (Antihydrogen Laser PHysics Apparatus).

Ebenda gelang es nun erstmals, dieses ungeladene Teilchen einzufangen oder gar für weiter gehende Untersuchungen zu speichern - was bisher aus einem einfachen Grund unmöglich war: Sobald nämlich ein erzeugtes Antiwasserstoffteilchen der es umgebenden Materie zu nahe kommt, löst es sich in einer Art Explosion in Energie auf.

Um Antimaterie einzufangen, ist deshalb eine extrem starke Abkühlung der Antiwasserstoffteilchen sowie der sie erzeugenden Positronen und Antiprotonen nötig. Bei nur 0,5 Kelvin, einer Temperatur nahe am absoluten Nullpunkt, wird ihre Eigenbewegung so gering, dass ein Einfangen mit Hilfe magnetischer "Käfige" erst möglich wird.

Genau das gelang nun Cern-Physikern tatsächlich, wie sie in der Wissenschaftszeitschrift Nature (online) berichten: Sie konnten 38 Atome für rund eine Zehntelsekunde einfangen - was sowohl von einer "sichtbaren Menge" wie auch für den Antrieb des Raumschiffs Enterprise ziemlich weit entfernt ist.

Der Trick gelang dank eines achtpoligen Magneten, der die supergekühlten Teilchen quasi in der Schwebe hielt und so verhinderte, dass sie an die Wände des Geräts prallten. Trotz der geringen Menge und der kurzen Zeit jubeln die Cern-Physiker: Wie einer der beteiligten Forscher meinte, könnten dadurch Experimente möglich werden, "die entweder dramatische Veränderungen der gängigen Sicht der Grundlage der Physik erfordern, oder aber das bestätigen, was wir bereits jetzt wissen". (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2010)