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Die Kompetenzen sollen beim Bund liegen, nicht bei den Ländern.

Foto: Focke Strangmann/dapd

Wien - Der Hauptverband der Sozialversicherungen hat am Donnerstagabend seinen "Masterplan Gesundheit" vorgelegt. Dieses von den Sozialversicherungen mit dem Hauptverband gemeinsam erarbeitete und in den Gremien einstimmig beschlossene Konzept sieht eine gemeinsame Planung, Steuerung und Qualitätssicherung auf Bundesebene vor. Die Finanzierungsströme sollen in einem Topf gebündelt werden. Bei den Ländern soll nur noch die "operative Ebene" für die Spitäler bleiben.

Gesundheitskonferenz

Zum Startschuss lädt die Sozialversicherung für Anfang 2011 zu einer "nationalen Gesundheitskonferenz" ein, erläuterten der Vorstandsvorsitzende, Hans Jörg Schelling, und die Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband, Ingrid Reischl, in einem gemeinsamen Pressegespräch. Bund, Länder und Sozialversicherung sollen dabei die wesentlichen Eckpfeiler einer künftigen Gesundheitsreform erarbeiten und einen verbindlichen Zeitplan vereinbaren. Der Hauptverband bietet sich dabei als Einlader und Koordinator an. Bis Herbst 2011 sollen die Reformschritte inklusive eines zehnjährigen Konsolidierungsplans erarbeitet und in einer weiteren Gesundheitsreform beschlossen werden. Die Reform soll dann in den neuen Finanzausgleich ab 2014 einfließen.

Analog zum Kassensanierungspaket mit einem Kostendämpfungsvolumen von insgesamt 1,7 Milliarden Euro bis 2013 fordern die Sozialversicherungen, mit den Ländern einen Konsolidierungskurs im Spitalswesen zu vereinbaren. Im Rahmen des nächsten Finanzausgleichs soll ein Kostenentwicklungspfad bis 2020 vereinbart werden, der sich an der Entwicklung des BIP orientiert. Zur Einhaltung des Pfades soll es ein gemeinsames, begleitendes Controlling geben.

Kompetenzen zum Bund

Für diese Reform wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Statt der derzeitigen 15a-Vereinbarungen mit den Ländern sollen die Kompetenzen zum Bund wandern. Schelling betonte, dass es ihm dabei in erster Linie um die Patienten und Versicherten gehe, und nicht um die Befindlichkeiten von Politikern. Wenn die Länder andere Vorstellungen haben sollten, dann sollten sie diese auf den Tisch legen und man könne darüber diskutieren. Er stellte aber gleich klar, wenn es zu einer Verländerung der Kompetenzen kommen sollte, wie das manche Landespolitiker fordern, dann sollten die Länder auch gleich die Steuerhoheit bekommen und selbst Steuern einheben.

Wer diese zentrale Stelle zur Steuerung, Koordinierung und Qualitätssicherung sein solle, darauf wollte sich Schelling noch nicht festlegen. Er könnte sich aber vorstellen, dass die Sozialversicherung diese Rolle übernimmt, aber auch andere Lösungen wären denkbar.

Begründet wird die Notwendigkeit für die Reform von den Sozialversicherungen vor allem mit der Kostenentwicklung im Spitalsbereich. Wenn die Kosten bis 2020 so weiter steigen wie in den vergangenen zehn Jahren, dann bedeutet dies Mehraufwendungen von 5,7 Milliarden Euro im Vergleich zu einer Entwicklung parallel zum BIP. Die Spitäler verzeichnen derzeit einen Abgang von rund 1,5 Mrd. Euro pro Jahr. Hauptverbands-Vorsitzender Hans Jörg Schelling schätzt die Schulden der Krankenanstalten-Betriebsgesellschaften auf insgesamt sieben Mrd. Euro. Nachdem es dazu aber keine Aufzeichnungen gibt, fordert er eine Offenlegung der Finanzen.

Nationale Gesundheitsziele

Der "Masterplan" sieht eine österreichweit einheitliche Rahmenplanung vor. Die Detailplanung könne dann dezentral erfolgen, aber nach einheitlichen Kriterien. Übergreifend sollten nationale Gesundheitsziele definiert werden.

Alle Mittel zur Spitalsfinanzierung sollten gebündelt und nach einheitlich festgelegten Parametern verteilt werden. Damit hätte der Bund auch Einfluss auf die Planungs- und Versorgungsstruktur. Nach klaren Parametern könnte es dann dezentrale Globalbudgets geben. Extrawünsche müssten dann auch extra bezahlt werden. Zwei Spitäler innerhalb weniger Kilometer würde es dann vermutlich nicht mehr geben.

Schließungen von Spitälern stehen für die Sozialversicherung nicht zu Diskussion. Angestrebt wird eine bedarfsgerechte, länderübergreifend zu planende Weiterentwicklung der Standorte "vom traditionellen Spital zum regionalen Gesundheitszentrum". Tages- und Wochenkliniken könnten zusätzlich entstehen. Die Spitalsambulanzen könnten in Aufnahme- und Erstversorgungszentren oder Spezialambulanzen, Akutbetten sollten in Pflege- und Rehabilitationsbetten umgewandelt werden.

Qualitätsoffensive, Gesundheitsförderung, Prävention

Die durch die Reform im Spitalsbereich eingesparten Mittel sollten in den Ausbau integrierter Versorgungsmodelle, eine Qualitätsoffensive sowie für Gesundheitsförderung und Prävention eingesetzt werden. Eine integrierte Versorgung zwischen allen Leistungserbringern soll sich an den Bedürfnissen der Patienten orientieren. Die neuen Ärzte GmbHs, Kassenambulatorien, Spitalsambulanzen und medizinische Institute sollen abgestimmte Dienstleistungen anbieten und ihre Öffnungszeiten an die Bedürfnisse der Patienten anpassen. Dabei würden auch neue Berufsbilder entstehen, in allen Gesundheitsberufen sei eine verbesserte Ausbildung nötig.

Schelling betonte, dass der Versicherte im Mittelpunkt der Reform stehe. Dabei sollte es in erster Linie um die Erhaltung der Gesundheit und nicht um das Reparieren von Krankheiten gehen. Man will also weg von der reinen Reparaturmedizin hin zum Ausbau von Prävention und Gesundheitsförderung. Zur Behandlung chronisch Kranker sollen strukturierte Programme entwickelt werden. Sogenannte Desease Management Progamme haben sich bewährt, etwa gegen Diabetes um Folgeerkrankungen einzudämmen.

Versicherte sollen zur Teilnahme an Präventionsmaßnahmen und Formen der integrierten Versorgung "motiviert" werden. Die angestrebte Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten bedeutet aber nicht die Etablierung eines Bonus-Malus-Systems, sondern die Schaffung von Bewusstsein, wie Schelling versicherte.

Geht über Stöger-Vorschlag hinaus

Nach der Einschätzung Schellings geht dieser Masterplan weit über die das Konzept von Gesundheitsminister Alois Stöger hinaus, der eine Zentralisierung durch ein einheitliches Krankenanstaltengesetz vorgeschlagen hat. Die Sozialversicherung will 100 Prozent der Mittel bündeln, Stöger nur 35 Prozent, erklärte der Hauptverbands-Chef den Unterschied. (APA/red)