Wie lässt sich die Wirksamkeit komplementärer Methoden beweisen? Wie kann man sicherstellen, dass Therapeuten auch halten, was sie versprechen? Um diese existenziellen Fragen ging es beim Symposium der Association of Natural Medicine in Europe (ANME) kürzlich in Wien. Es trafen sich rund 80 Teilnehmer aus 14 europäischen Ländern; darunter Ärzte, Therapeuten und Vertreter der Komplementären und Alternativen Medizin (CAM).

Existenziell sind diese Fragen deshalb, weil die europäische Gesundheitspolitik die Komplementärtherapeuten kaum berücksichtigt und teilweise deren Arbeitsbedingungen durch ihre Gesetzgebung erschwert. Kein Wunder: Undurchsichtige und schwer nachvollziehbare Ausbildungswege und ein Wildwuchs an Zertifikaten und Urkunden machen die Komplementärmedizin einerseits zwar frei für außergewöhnliche Methoden, aber auch offen für wenig kompetente Heilsversprecher - Scharlatane, die den Berufsstand in Misskredit bringen.

Um Verbrauchern und Gesetzgebern ein Maß an Sicherheit zu bieten, wurde in Wien über Möglichkeiten einer Qualitätssicherung innerhalb der Komplementärtherapien diskutiert. Sie fassten den Entschluss, gemeinsam mit den einzelnen Berufsverbänden Mindestkriterien festzulegen, die sowohl für Homöopathen und Kinesiologen als auch für Aroma-, Phyto- und Cranio-Sacral-Therapeuten gelten sollen.

Politische Entscheider in der EU wollen aber vor allem wissenschaftliche Beweise. Genau das ist ein Schwachpunkt der komplementären Therapiemethoden. Sie können kaum wissenschaftliche Forschung vorweisen. Das liegt zum einen daran, dass Forschung teuer ist und sich bisher niemand gefunden hat, der sie bezahlt. Zum anderen aber an den Methoden, mit denen Wirksamkeit üblicherweise gemessen wird.

"Die Methoden der Evidenz-basierten Medizin genügen bei weitem nicht, um komplementäre Therapiemethoden zu erfassen. Das ist immer noch nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen", kommentierte Maria Walcher von der Unesco Nationalagentur das Nachweis-Problem der Komplementärmedizin.

Entgegengesetzte Kräfte

"Das biomedizinische Modell reduziert einen Wirkungsnachweis auf einzelne Aspekte. Ganzheitliche Heilungsmethoden jedoch beziehen sich auf das ganze System des individuellen Patienten. Das kann nicht zusammenpassen", erläuterte Michaela Nosek, Mitglied eines Arbeitskreises des Gesundheitsministeriums zur "Qualitätssicherung und Eingliederung komplementärmedizinischer Methoden in das Gesundheitssystem". In einfachen Worten: Die Biomedizin bekämpft einzelne Krankheiten. Ob zum Beispiel ein Wirkstoff ein bestimmtes Virus tötet, lässt sich leicht nachweisen. Viele traditionelle Heilmethoden hingegen befassen sich mit dem gesamten Patienten. Sie können Prozesse in ihm auslösen, die schließlich zu mehr Gesundheit führen. Ob und wie schnell der Patient jedoch etwas an seinem Leben ändert, hängt immer schlussendlich von ihm selbst ab. Das lässt sich in einer auf Statistiken basierenden Studie nicht erfassen. Eine Erforschung traditioneller Heilweisen sei dennoch wichtig und auch möglich, ist sich Nosek sicher.

Große Hoffnungen setzen die Vertreter von Naturheilverfahren in das CAMbrella-Projekt. Bis 2012 soll im Dialog mit Wissenschaftern aus zwölf EU-Ländern eine Standortbestimmung der Komplementärtherapien entstehen. Aufgabe des Projekts ist es, die CAM-Forschung voranzutreiben und festzulegen, welche Forschungsmethoden sich für Komplementärtherapien eignen. Sind die Ergebnisse überzeugend, so stellt die Europäische Kommission möglicherweise auch Geld für diese Forschung zur Verfügung. (Sigrun Saunderson, DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2010)