Wien - Bundeskanzler Werner Faymann hat Freitagabend betont, dass er in Sachen Schulverwaltungsreform weiterhin zur "Position des Bundes" steht. Die Frage, ob die offensive Unterstützung der Forderung der ÖVP-Landeshauptmänner nach Landeskompetenz für alle Lehrer durch Vizekanzler ÖVP-Chef Josef Pröll nun Bundesposition sei, verneinte Faymann. Man wolle ein einheitliches Bildungssystem und nicht eine Diskussion, die zu Verländerung führe, wo er höre, dass manche von Ausführungsgesetzgebung auf Landesebene sprechen - das wäre "kein Fortschritt" für die Schule.

Faymann verwies auf eine gemeinsame Bundesposition, die man in der Arbeitsgruppe zur Verwaltungsreform vereinbart habe. Konkret meint er damit einen Beschluss vom April, der laut SPÖ auch mit Bildungsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl akkordiert war, wonach etwa das Schulwesen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sein soll. Natürlich habe jeder das Recht, die Bundesposition zu verlassen, aber er habe auch das Recht, seine Position beizubehalten, erklärte der Kanzler.

Schmied: Pröll mehr Parteivorsitzender als Finanzminister

Für Unterrichtsministerin Claudia Schmied wäre das von den VP-Landeshauptleuten vorgelegte Modell zu den Bildungskompetenzen "das Ende jeder Bildungsreform". Bildungspolitische Maßnahmen hätten zu 90 Prozent mit dem Lehrereinsatz bzw. dessen budgetärer Steuerung zu tun, so Schmied. Nach diesem Konzept könne sie sich als Ministerin "zwar etwas wünschen, aber nicht mehr garantieren, dass es auch in den Klassen ankommt".

Für Schmied "stellt sich einmal mehr die Frage, in welcher Funktion Josef Pröll die Pressekonferenz mit den ÖVP-Landeshauptleuten gegeben hat. Ganz offenbar als Parteivorsitzender, weil als Finanzminister müsste die Reform für ihn in eine ganz andere Richtung laufen. Ich weise einmal mehr darauf hin, dass er als Finanzminister den Interessen der gesamten Republik verpflichtet ist." Dieses Vorgehen sei "für Österreich nicht tragbar".

Schülerkopfquote nicht geeignet

Das Modell einer Schülerkopfquote und deren Finanzierung über den Finanzausgleich sei für die Bildungspolitik nicht geeignet, betonte Schmied, die beim Finanzausgleich nicht mit am Tisch sitzt. Die VP-Vorstellungen würden allen Empfehlungen des Rechnungshofs oder der OECD widersprechen.

Wenn der Bund die Steuerung der Bildungspolitik komplett aufgäbe, gebe es keine Garantie dafür, Maßnahmen in ganz Österreich durchzusetzen.

Burgstaller: Kein Verständnis für "mediale Inszenierung"

Ähnlich die Reaktionen der restlichen SPÖ in zahlreichen Aussendungen, die Josef Pröll das Abrücken von festgelegten Bundespositionen vorwarfen. Und auch Salzburgs SP-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zeigte - wenig überraschend angesichts der bisherigen Wortmeldungen zum Thema - "wenig bis gar kein Verständnis" für den gemeinsamen Auftritt Pröll mit den ÖVP-Landeshauptleuten - "und zwar weder Verständnis, was den Stil, noch was den Inhalt betrifft", sagte sie. "Diese Form der rein medialen Inszenierung tut der Sache mit Sicherheit keinen guten Dienst."

Die Pressekonferenz der ÖVP habe keine Lösungen gebracht, sondern "im Gegenteil noch mehr offene Frage hinterlassen", kritisierte Burgstaller.

FPÖ ist ÖVP-Modell nicht abgeneigt 

FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz zeigte sich am Freitag gegenüber der APA grundsätzlich über eine Vereinheitlichung erfreut, auch wenn die Dienstkompetenz zur Gänze an die Länder wandere. Aufregung gab es hingegen bei den Grünen: "Der ÖVP-Bildungsbeton bleibt hart", meinte Harald Walser. Für Ursula Haubner vom BZÖ will Pröll "schamlos die Verpolitisierung im Schulbereich einzementieren".

Rosenkranz sieht in Prölls Präsentation der Bildungskompetenzen "nichts Neues" und kann dem einiges Positives abgewinnen. "Wir können uns grundsätzlich vorstellen, dass Administration und Diensthoheit bei den Ländern bleiben können." Dafür müsste die Rahmenbedingungen der Bund vorgeben. Auch eine Stärkung der Schulautonomie wäre mit diesem Modell leichter zu schaffen. Die Rahmenbedingungen müssten hingegen beim Bund bleiben. Aber auch gegen eine vollständige Bundeskompetenz hat Rosenkranz nichts einzuwenden: "Wir sind über jede Vereinheitlichung froh, wenn sie gut ist." Was der FPÖ-Abgeordnete in der Debatte vermisst, ist die Frage der Schulgebäude, die ebenfalls teils von Gemeinden, Land und Bund verwaltet würden.

Grüne kritisieren Prölls

"Die bildungspolitische Avantgarde des Rückschritts", sieht Walser in ÖVP-Chef Pröll und dessen Onkel, dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll. Der Grünen-Bildungssprecher zeigt sich "empört" vom erneuten Vorstoß, die Schulkompetenzen den Ländern zu überlassen. "Solange die Betonierer in Sachen Verwaltungsreform den Ton angeben, wird kein Schritt in Richtung einer einfachen und effizienten Verwaltung des Schulbereichs möglich sein."

"Unterrichtsministerin Schmied darf bei diesen unglaublichen ÖVP-Machtspielen nicht tatenlos zusehen und muss dieser bildungspolitischen Entwicklung in die falsche Richtung einen Riegel vorschieben", ruft Haubner in der Bildungsdebatte die SPÖ an. Diese solle "endlich ihre angekündigten Reformvorschläge für den Schulbereich auch vorlegen". Pröll und der ÖVP gehe es nicht um die Schüler oder um eine Vereinfachung der Schulverwaltung, "sondern nur darum, die eigene parteipolitische Macht in einzelnen Gremien aufrechtzuerhalten".

Industriellenvereinigung will abwarten

Abwartend reagierte die Industriellenvereinigung (IV) in einer ersten Reaktion. "Entscheidend ist und bleibt, dass es in der Schulverwaltung zu Effizienz- und Qualitätssteigerungen im Sinne der Schülerinnen und Schüler kommt", meinte IV-Präsident Veit Sorger. Es dürfe in Österreich keinesfalls zu einer Zersplitterung des Schulsystems kommen, die keine Vergleichbarkeit der Qualitäts-Standards ermögliche. "So gesehen sei es wichtig, dass im vorliegenden Vorschlag bei Struktur, Lehrinhalten und Standards ausschließlich die Bundesgesetzgebung zur Anwendung komme. (APA)