Wien - Die Tagesordnung für die Aufsichtsratssitzung der ÖBB-Holding am kommenden Freitag ist unauffällig, garantiert aber großkoalitionäre Wickel. Sie enthält nicht einmal Vorschläge für die dringend notwendige Sanierung der ÖBB-Güterverkehrssparte Rail Cargo Austria (RCA) und deren Ungarn-Ableger RCH (ehemals MávCargo). Selbst der Tagesordnungspunkt Vorstandsbestellungen findet sich nicht auf der Agenda, obwohl sich Holding-Chef Christian Kern (er ist zugleich RCA-Aufsichtsratspräsident) bereits im August ermächtigen ließ, dem RCA-Vorstandsduo Friedrich Macher und Günther Riessland einen Sanierungsmanager zur Seite zu stellen.

Joker "Allfälliges"

Wie in der Bahn nicht unüblich, dürfte die "Bombe" unter "TOP Allfälliges" versteckt sein. Nach dem aktuellen Bericht des Vorstands werden die - seit dem Auszug der von der ÖVP nominierten ÖBB-Räte im September - durch die Bank von der SPÖ mandatierten Kapitalvertreter heiße Eisen diskutieren. Denn im ÖBB-Güterverkehr bahnt sich ein umfangreiches Vorstandsrevirement an. Die Tage Machers und Riesslands gelten als gezählt, die Nervosität im Güterverkehr ist spürbar.

Als Anlass für die Aktion, die mit der Bestellung eines Sanierungsmanagers beginnen und in der vorzeitigen Ablöse samt Auszahlung der bis 2011 (Riessland) bzw. 2012 (Macher) laufenden Vorstandsverträge gipfeln dürfte, gilt in RCA- wie Holding-Kreisen die als "überschaubar" beschriebene Performance der RCA-Führung. Mangels brauchbarer Sanierungskonzepte für die RCA-Problemzonen Österreich und Ungarn (sie werden heuer zusammen mehr als 100 Millionen Euro Verlust einfahren), liege bis dato nichts Beschlussreifes vor, heißt es. Entscheidende Weichenstellungen sollen am Wochenende erfolgen. Kern wollte die Vorgänge am Freitag nicht kommentieren. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.11.2010)