Die OMV bereitet weitere Milliardeninvestitionen in der Türkei vor, darunter eine Minderheitsbeteiligung an einer Raffinerie an der Mittelmeerküste bei Ceyhan. "Die Türkei hat das größte Marktwachstum aller Länder, in denen wir derzeit tätig sind", sagte OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer am Freitag bei der Präzisierung der Konzernstrategie für die kommenden Jahre in London. "Davon wollen wir profitieren."

Bevor die Frage der Raffinerie in der von Treibstoffimporten abhängigen Türkei geklärt wird, steht noch die Aufstockung der Anteile am größten Tankstellenbetreiber des Landes, Petrol Ofisi, von knapp 43 auf fast 96 Prozent an. Der Abschluss der Transaktion (Closing) wird Ende des heurigen Jahres erwartet.

Derzeit werden in der OMV-Zentrale Modelle gerechnet, wie die Kosten der Aufstockung - eine Milliarde Euro - gestemmt werden können. Von der Begebung einer Hybridanleihe, Ausnutzung langfristiger Kreditlinien bis zu einer Kapitalerhöhung sei alles denkbar, sagte Finanzvorstand David Davies. Bei einer Kapitalerhöhung sei es wünschenswert, dass alle Aktionäre, auch die ÖIAG, mitziehen, ergänzte Ruttenstorfer.

Die ÖIAG ist mit rund 31 Prozent an der OMV beteiligt; sollte es grünes Licht für eine Kapitalerhöhung von angenommen einer Milliarde Euro geben, müsste die Staatsholding gut 300 Millionen Euro beisteuern, um nicht verwässert zu werden. Zuletzt stand insbesondere die ÖVP, die mit Josef Pröll den Finanzminister stellt, diesbezüglich auf der Bremse.

Für den 34-Prozent-Einstieg bei Petrol Ofisi vor vier Jahren hat die OMV an die Eigentümfamilie Dogan (siehe dazu auch Artikel) gut eine Mrd. Euro gezahlt. Mit der fast Totalübernahme würde der Mineralölkonzern zusätzlich noch eine Milliarde Euro an Schulden erben.

Knapp eine Milliarde Euro könnten zusätzlich fällig werden, wenn es zu einer Minderheitsbeteiligung am Raffinerieprojekt von Calik in Ceyhan kommt. Derzeit wird evaluiert, inwieweit eine Beteiligung für die OMV überhaupt Sinn macht. Eine Grundbedingung jedenfalls sei, eigenes Erdöl aus den OMV-Feldern in Nordirak dort verarbeiten zu können. Der Mineralölmarkt in der Türkei ist nach Angaben von Gerhard Roiss, der Ruttenstorfer im April 2011 an der OMV-Spitze nachfolgt, 29 Mio. Tonnen schwer. Die Gesamtkapazität der bestehenden vier Raffinerien liegt bei 26 Mio. Tonnen.

Ruttenstorfer, der wie berichtet wegen mutmaßlichen Insiderhandels angeklagt wird, ist sich keiner Schuld bewusst und glaubt, die Vorwürfe entkräften zu können. Von Investoren habe es in dieser Frage bis jetzt keine Rückmeldungen gegeben. Am kommenden Mittwoch (25. November) wird sich der OMV-Aufsichtsrat mit der Sache befassen.  (Günther Strobl aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.11.2010)