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Man versteht sich wieder: Medwedew, Obama, Sarkozy (v.l.)

Foto: REUTERS/Dominique Faget/Pool

Wenn die wichtigsten politischen Führer der Welt zusammenkommen, um eine "historische Wende" in der globalen Sicherheitspolitik zu verkünden, ist das vor allem eine Kommunikationsschlacht. So waren Samstagabend zum Abschluss des Nato-Gipfels alle Augen darauf gerichtet, wie bzw. wie konkret die Präsidenten der USA und Russlands ihre Vereinbarungen verkünden würden.

Das Vorspiel gab Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, dann folgte Barack Obama, 44 Minuten später Dmitri Medwedew.

"Wir sind keine Bedrohung mehr füreinander, ziehen einen klaren Schlussstrich unter unsere Vergangenheit als zwei feindliche Blöcke", fasste Rasmussen zusammen. Der Däne wirkte euphorisiert: Friktionsfrei hat die Nato ihr neues strategisches Konzept verabschiedet, die Restrukturierung der Organisation, den Abzugsplan aus Afghanistan - und auch den Plan zum Aufbau eines Raketenschildes über Europa gegen einen möglichen Beschuss durch den Iran bis 2020.

Obama muss kämpfen

"Zum ersten Mal in der Geschichte werden die Nato-Staaten mit Russland kooperieren", erklärte Rasmussen zum Raketenschild. Medwedew habe gesagt: "Machen wir das gemeinsam." Damit hatte er wohl etwas übertrieben, wie sich 90 Minuten später herausstellen sollte. Doch zunächst kam der US-Präsident, volle Stimme, brillante Rhetorik: "Russland ist ein Partner, kein Feind mehr", sagte er, "der Kalte Krieg ist vorbei", Russland "zur Kooperation eingeladen" beim Raketenschild.

Das klang schon weniger konkret. Dass der US-Präsident sicherheitspolitisch andere Sorgen hat, wird klar, als er nach seiner Einleitung in die Brusttasche seines Sakkos greift, eine Karte hervorzieht, um die Namen jener US-Journalisten abzulesen, die ihm vorabgestimmte Fragen vortragen.

Es geht um US-Innenpolitik, die Frage, wie der Präsident die nötigen republikanischen Stimmen im Senat für die Ratifizierung des Start-Abrüstungsabkommens mit Russland gewinnen will. Obama wirkt besorgt, antwortet kompliziert, braucht fast zehn Minuten, um die Kernbotschaft anzubringen, dass Start "ganz im nationalen Interesse der USA ist". Amerika habe dafür "überwältigende Unterstützung der Alliierten".

Die Konferenz des US-Präsidenten wirkt seltsam "chinesisch", ohne offene Fragen. Verkehrte Kommunikationswelt, als Medwedew kommt. Der russische Präsident hält keinen Vortrag, dutzende Hände von Fragestellern gehen hoch, Medwedew gibt sich locker, antwortet unumwunden.

Medwedews Bedingungen

"Ja, wir sind einen langen Weg gegangen, beginnend mit den Illusionen in den 1990er-Jahren", sagt er, aber heute seien auch "die Schwierigkeiten der jüngsten Vergangenheit" überwunden. Georgien dürfe nicht zum Stolperstein werden. "Wir sollten versuchen, Beziehungen in alle Richtungen zu entwickeln", bei der Bekämpfung des Terrors, von Drogenhandel und Piraterie.

Die Teilnahme Russlands am Raketenschild knüpft Medwedew an klare Bedingungen: Moskau sei bereit, über eine Kooperation zu verhandeln. Viel sei ungeklärt, die Kosten, was der Schild genau sein solle: "Unsere Teilnahme kann nur auf Basis von Gleichberechtigung stattfinden", betont er. "Transparenz, technologische Zusammenarbeit und die gemeinsame Verantwortung bei Entscheidungen" seien weitere Bedingungen. Es solle "ein universales System" sein, das die bestehenden Raketenabwehrsysteme zusammenschließe. (DER STANDARD Printausgabe, 22.11.2010)