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Foto: REUTERS/Frank Polich

 

Bill Clintons legendärer Berater James Carville hat einmal gesagt: „Wenn es die Reinkarnation gibt, dann will ich nicht als Präsident oder Papst, sondern als Anleihemarkt wieder geboren werden. Da könnte ich alle einschüchtern.“

Die Macht der Anleihemärkte hat sich in den vergangenen Tagen wieder gezeigt: Rasant steigende  Renditen auf irische Papiere haben die Eurozone so erschreckt, dass sie Irland gezwungen haben, wider besseres Wissen um Hilfe vom Euro-Schutzschild anzusuchen – nur um die hochnervösen Märkte zu beruhigen.

Denn die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Irlands haben auch auf Portugal und Spanien übergegriffen und sogar Italien mitgezogen, obwohl sich an der finanziellen Lage dieser Länder nichts geändert hat. „Contagion“ (Ansteckungsgefahr) ist das völlig unsinnige Phänomen, durch das Anleihemärkte kleine Turbulenzen in einem Land zu großen Krisen aufblasen.

Manche erinnern sich noch an die Jahre 1997/98, als die Währungskrise in Thailand zuerst auf Indonesien und Südkorea übersprang und dann auch Russland und Brasilien erfasste – Länder, die mit der Asienkrise nichts zu tun hatte.  

Daher kann man die Märkte auch anders sehen: Nicht als starke Spieler, sondern als wilde Tiere mit erbsengroßen Hirnen, die man einfach nicht reizen darf, aber von denen man sich auch keine Einsicht erwarten darf.

Sind Finanzmärkte wirklich so irrational, wie sie in solchen Augenblicken erscheinen?

Sie sind es nicht, lautet die klare Antwort. Aber sie sind unwissend und wankelmütig.

Märkte sind keine zielgerichteten Akteure, sondern bloß die Summe Tausender Einzelpersonen oder Institutionen, die alle versuchen, sich über die gegenwärtige Lage und die weitere Entwicklung eine Meinung zu bilden.

Ist Irland in Gefahr, zahlungsunfähig zu werden? Kann Spanien aus seiner tiefen Krise herausfinden? Wird Deutschland weiterhin bereit sein, für die Schulden der Euro-Partner gerade zu stehen?

Für all diese Fragen gibt es keine klaren Antworten, denn die Zukunft lässt sich nicht voraussagen. Trotz hochbezahlter Analysten und aufwändiger Studien stochert jeder einzelne Investor im Dunkeln, kann bestenfalls raten, was er nun tun sollte.

Kein Wunder, dass die Mehrheit der bedeutenden Anlageentscheidungen aus dem Bauch heraus gefällt werden – oder einfach darauf geschaut wird, was andere tun. Kleine Stimmungsschwankungen werden durch diesen Herdentrieb dramatisch verstärkt und münden in massiven Kursausschlägen. Und wenn Irland plötzlich riskanter erscheint, dann ändern die Investoren auch ihre Einschätzung von Portugal oder Spanien.

So weit, so menschlich. Aber irren die Märkte deshalb?

Eigentlich haben die Anleihemärkte die Lage in den Eurostaaten bisher gar nicht so falsch eingeschätzt. Griechenland bleibt ein großes Risiko, und Irland ist es auch. Die Informationen über die katastrophale Lage der irischen Banken kamen erst nach und nach heraus, was sich gleich in den Anleiherenditen niederschlug.

Selbst der starke Anstieg der Renditen österreichische Staatsanleihen im Frühjahr 2009, für die ja im Rückblick gerne der US-Ökonom Paul Krugman und ein Rechenfehler des IWF verantwortlich gemacht wird, war berechtigt. Wären die Währungen in Mittelleuropa (angesteckt von der Island-Krise) damals weiter gefallen, dann hätte es den heimischen Banken Kopf und Kragen gekostet. Was das für Österreichs Staatsfinanzen bedeutet hätte, lässt sich jetzt gut am Beispiel Irlands sehen.

Die Bewegung auf den Finanzmärkten spiegelt zumeist die Einschätzung der Ökonomen, der beteiligten Politiker und auch der Medien wieder. Sie sprechen das aus, was sich viele denken, aber aus politischer Rücksichtnahme nicht sagen wollen. Sie sind die Hofnarren, die man gerne zum Schweigen bringen würde, was aber am Problem auch nichts ändern würde.