Hamburg/Stuttgart - Die umstrittenen Aktiengeschäfte beim deutschen Sportwagenhersteller Porsche hatten offenbar viel größere Dimensionen, als bisher bekannt. Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vorab unter Berufung auf einen Schriftsatz der von Porsche beauftragen Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer berichtete, hat Porsche im Geschäftsjahr 2008/09 die Summe von 56,1 Mrd. Euro für Aktienoptionen ausgegeben. Das sei mehr als der Autohersteller in den davor liegenden zehn Jahren durch den Verkauf seiner Sportwagen insgesamt eingenommen habe.

Die Erträge aus Optionsgeschäften hätten laut Freshfields im gleichen Zeitraum 53,7 Mrd. Euro betragen, so dass vor Steuern ein Verlust von 2,4 Mrd. Euro geblieben sei. Ein Porsche-Sprecher erklärte dazu, die Zahlen seien bereits vor über einem Jahr im Geschäftsbericht der Porsche SE für 2008/2009 veröffentlicht worden und daher nicht neu.

Mit den Optionsgeschäften, die - in wesentlich kleinerem Umfang - bereits im Geschäftsjahr 2005/06 begonnen hatten, wollten Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und sein Finanzchef Holger Härter die von ihnen geplante Übernahme des VW-Konzerns absichern.

Weitere Klagen

Juristisch gerät Porsche dem Bericht zufolge weiter unter Druck. In den USA hätten sich sieben weitere Fonds der bereits eingereichten Schadenersatzklage angeschlossen. Über deren Zulassung wolle das Bezirksgericht in New York Anfang kommenden Jahres entscheiden. Dies bestätigte der Porsche-Sprecher, der gleichzeitig betonte, dass der Konzern die Klagen für unzulässig und unbegründet halte.

In Deutschland rechnen Verfahrensbeteiligte laut "Spiegel" damit, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart im kommenden Jahr Anklage gegen Wiedeking und Härter einreicht. Deren Anwälte hätten sich zum Stand des Verfahrens nicht äußern wollen. Der Porsche-Sprecher sagte dazu, das Ermittlungsverfahren der Stuttgarter Staatsanwaltschaft sei noch nicht abgeschlossen, mögliche Konsequenzen seien daher reine Spekulation.

Nachzahlungen von 626 Mio. Euro

Am Freitag hatte Porsche mitgeteilt, dass der Konzern für die umstrittenen Aktiengeschäfte mit VW-Aktien 626 Mio. Euro Steuern und Zinsen nachzahlen müsse. Entsprechende Bescheide werde die Finanzverwaltung in Kürze erlassen. Weil unklar war, ob die Milliardeneinnahmen aus den Geschäften zu Steuernachzahlungen führen, hatte Porsche in den beiden vergangenen Geschäftsjahren Rücklagen von 1,3 Mrd. Euro gebildet. Diese werden nun aufgelöst.

Auf dem Weg zur Fusion mit VW ist damit ein weiteres Hindernis beseitigt. Porsche hatte sich 2009 hoch verschuldet, um den VW-Konzern zu übernehmen. Der Plan scheiterte. Volkswagen musste umgekehrt Porsche retten und gliedert den Sportwagenbauer nun in den Konzern ein. Der bisherige Zeitplan, der die Eingliederung bis Ende 2011 vorsieht, ist aber möglicherweise nicht zu halten. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dapd gilt es in VW-Aktionärskreisen bereits als sicher, dass die Verschmelzung 2011 nicht mehr kommen wird. (APA/dapd)