Rostock - Stammzellen, die aus der Sprühdose kommen, sollen künftig neu eingestetzte Herzklappen besser verträglich machen. Das zumindest hoffen Rostocker Mediziner. Körpereigene Stammzellen sind ein Schlüssel zu vielen Regenerationsprozessen. Beobachter sprechen von einer Art "Goldgräberstimmung" in der Forscherszene. "Die biomedizinische Forschung schaut überall nach möglichen Anwendungsgebieten", sagt etwas zurückhaltender einer der international führenden Stammzell- Protagonisten, Gustav Steinhoff. Der Chef der Herzchirurgie an der Universitätsklinik Rostock entwickelt mit seinem Team seit Jahren Therapien, die auf Stammzellen beruhen.

Derzeit arbeiten die Rostocker Forscher an einem "visionären" System, um mit Stammzellen Herzklappen-Operationen erfolgreicher und risikoärmer zu gestalten - mit Hilfe eines medizinischen Sprühsystems, das bereits in der Wundversorgung eingesetzt wird. Die veröffentlichten Ergebnisse beruhen auf Experimenten im Labor, "derzeit laufen erste Tierexperimente", sagt Steinhoff. Wann das Verfahren bei Patienten angewandt werden kann, ist nicht absehbar.

Besser verträgliche Herzklappen

"Ziel ist, dass die Klappen schnell vom Körper akzeptiert werden, einwachsen und nicht so schnell altern", erläutert Oberarzt Alexander Kaminski. Wenn eine neue Herzklappe als körpereigen akzeptiert ist, wächst sie mit, was herzkranken Kindern viele Folgeoperationen ersparen kann. Denn auch wenn Herzklappen jährlich in Deutschland mehr als 20.000 Mal operiert werden, gibt es Probleme wie Infektionen, Blutgerinnsel oder Alterungsprozesse. Im Schnitt halten Klappen, die meist aus Rinder- oder Schweine-Material bestehen, etwa acht bis 15 Jahre, bevor sie erneuert werden müssen.

Die Rostocker Mediziner haben nun nach eigenen Angaben als erstes Forscherteam weltweit ein Schnellverfahren mit Stammzellen entwickelt. "Wir wollen im Operationssaal der perfekten Klappe näher kommen", betonen sie. In einer Sprühdose sind der natürliche menschliche Gewebekleber Fibrin und die zuvor entnommenen Stammzellen. "Wir brauchen vier Stunden, bis die Stammzellen nach der Entnahme aufbereitet sind, das Fibrin ist in 20 Minuten vorhanden", erklärt Kaminski. Das alles geschieht im Operationssaal, so kann das Infektionsrisiko erheblich reduziert werden. In bisherigen Forschungsarbeiten wurden Herzklappen eingesetzt, die über mehrere Tage mit patienteneigenen Zellen bebrütet und erst dann ins Herz implantiert wurden.

Erfolgreiche Experimente

Im Operationssaal wird die Klappe mit Fibrin und den Stammzellen besprüht und anschließend sofort eingebaut. "Wenn die Herzklappe mit einer Art Innenhaut aus körpereigenen Zellen überzogen ist, wird sie als eigen gesehen und ist schön geschmeidig", sagt Steinhoff. Dass das System funktionieren kann, zeigen Experimente, die zusammen mit Forschern in Aachen in einem Bioreaktor erfolgten. Unter den gleichen Druckverhältnissen wie im menschlichen Körper konnte gezeigt werden, dass sich die Stammzellen weiterentwickeln und an der Herzklappe ihre Funktion als Gefäß- oder Bindegewebszelle erfüllen können. "Fibrin baut sich in knapp zwei Wochen ab, und die Zellen haben dann die Oberfläche besiedelt", sagt Steinhoff.

Doch diese Besiedelung soll nicht dem Zufall überlassen bleiben. Darum wurde zusammen mit Medizinern in Hannover ein Methode mit Hilfe eines Laserdruckverfahrens entwickelt. Damit werden die Stammzellen nicht geschädigt und punktgenau an die Klappe herangebracht. Ihre Entwicklungsrichtung ist damit vorgegeben. "Wir wollen der Biologie ein bisschen näher kommen", erklärt Diplombiologe Ralf Gäbel.

Die Forschung dient nach Worten von Steinhoff nicht nur der Entwicklung einer verbesserten Technik bei Herzklappen-Operationen. "Es geht allgemein um die Besiedelung dreidimensionaler Gewebestrukturen mit Stammzellen". Das alles sei ein komplexer Prozess, bei dem bislang nur Einzelschritte beherrscht werden. (red/APA/dpa)