Ezio Mauro.

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Nicholas Leman.

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Bodo Hombach.

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Bill Keller.

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Paul Starr.

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Wien - Politiker würden nicht Gesetze fürchten, aber sehr wohl investigativen Journalismus. Gerade darum sei dieser unverzichtbar, seine Kollateralschäden geringer einzuschätzen als sein positiver Einfluss auf die Demokratie.

Mit diesem Grundsatz-Statement eröffnete Bodo Hombach, Chef der Essener WAZ-Mediengruppe, eine Debatte zum Thema "Democracy and the Media" am Sonntagvormittag im Burgtheater. Vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen und von europäischen Zeitungen (unter anderem dem Standard) veranstaltet, war die Diskussion Teil einer dreitägigen Konferenz. STANDARD-Herausgeber Oscar Bronner hatte am Eröffnungsabend im Bundeskanzleramt eine selbstkritische Rede über die Rolle der Medien in einer Demokratie gehalten.

Im Burgtheater konzentrierte sich die Debatte auf Printmedien, wie schon die Zusammensetzung des Podiums nahelegte. Ezio Mauro, Chefredakteur der römischen La Repubblica, legte ein emphatisches Bekenntnis zu Druckwerken vor. Sie hätten die technischen Revolutionen von Radio und Fernsehen überlebt, heute stünden sie da wie Kathedralen, die die Ereignisse des Tages in einer Weise mit Bedeutung erhellen, wie es der ständige Internet-Informationsfluss nicht schafft. Dafür brauche es das Papier in "newspaper".

Demgegenüber nahm New York Times-Chefredakteur Bill Keller eine offenere Haltung ein. Er bezeichnet sich als "Plattform-Agnostiker": Welche Kanäle die Konsumenten vorziehen, ob Druck, Online oder Apps, sei zweitrangig gegenüber dem Anspruch, einen aufwändigen Apparat der Nachrichtenbeschaffung zu führen.

Gegen Gratiskultur

Einen kurzen Blick zurück in die Geschichte, die bis vor ca. 20 Jahren für viele Medienunternehmen recht rosig war, tat der Soziologe Paul Starr, Princeton University, um dann umso besorgter zu fragen, wie man heute mit der Krise des Journalismus fertig werden wolle. Ob die amerikanische Gesellschaft sich in Richtung Europa bewege und, wenn schon nicht Regierungsgelder, dann wenigstens philanthropische Modelle akzeptieren werde?

Dort sind wir schon, warf Keller ein, eine Kooperation mit der ProPublica-Stiftung habe seiner Zeitung immerhin bereits einen Pulitzer-Preis eingebracht. Und von Diskussionleiter Nicholas Lemann, Dekan der Journalismus-Schule der Columbia University, vor gut besuchtem Haus - "da wir ja ganz unter uns sind ... " - gefragt, wann die Times zu einem Online-Zahlmodell übergehen wird, nannte Keller das kommende Quartal.

Auch Hombach hielt einen Übergang von der "Gratiskultur" zu Apps oder vergleichbaren Modellen für wirtschaftlich wie inhaltlich sinnvoll. Mittelmäßiger Journalismus, meinte der Chef unter anderem der Krone-Kurier-Gruppe, sei zu teuer für gratis und zu schlecht für Qualität.

Aber wer wird Qualität honorieren? Dass die Jungen nur mehr online gehen, ist Starr zufolge nicht das Hauptproblem, vielmehr steht die Gefahr am Horizont, dass gerade weniger informierte Schichten nur mehr die Sites ihrer speziellen Interessen anklicken und als politisch wache Bürger verlorengehen.

Erschreckendes Monopol

Dass man sich durch die Echokammer seiner eigenen Vorurteile informiert fühlen könne, bereitete auch Keller Sorgen. Die Schreiduelle im Kabel-TV, selbst wenn sie prozentuell noch nicht bedeutsam sind, verhießen nicht Gutes. Diese Probleme würden natürlich auch Europa betreffen, sagte Starr, "Schadenfreude" ("um auf dieser Bühne auch mal ein deutsches Wort zu verwenden") sei nicht am Platz.

Was den Verfall der Sitten anbelangt, wurde Mauro um einiges deutlicher. Er las eine lange Liste von Berlusconis Escort-Schadensbegrenzungsaktionen und von seinen Untergriffe gegen kritische Medien vor. Das war amüsant, aber ernst genug, um den Ruf nach Brüssel laut werden zu lassen.

Hombach stellte das erschreckende Medienmonopol des italienischen Premiers auf eine Stufe mit der Einflussnahme von Oligarchen auf Print und TV zum Zweck der Willfährigkeit. Auf beides sollte der Europarat ein Auge werfen: "Keine Chance für freie Demokratie ohne freie Medien."

Darin konnten sich die Podiumsteilnehmer leicht einig sein. Während aber Starr den Tod eines unabhängigen Journalismus für möglich hielt, zeigte Keller Vertrauen in die verantwortlichen Verleger und die Leser: "Wenn der Markt Qualität verlangt, dann wird sie geliefert." (Michael Freund/DER STANDARD; Printausgabe, 22.11.2010)