Joanna Wozny

Foto: J. J. Kucek

Wien - "Let's party!", rief Festivalchef Matthias Losek der Wien-Modern-Gemeinde zu, als es ans traditionelle Schinkenfleckerlnessen im Konzerthaus ging. Für manche mochte an diesem Abend das Feiern tatsächlich das Wichtigste gewesen sein.

Davor allerdings hatte es bei einem Konzert des Klangforum Wien mit Joanna Woznys "as in a mirror, darkly" einen der Höhepunkte des heurigen Festivals gegeben. Das im Rahmen des Erste- Bank-Kompositionsauftrags entstandene Stück, das einen Gegensatz zwischen aggressiver Geräuschhaftigkeit und ätherischen Klangfeldern austrägt, droht dabei aus der Form zu geraten, wenn es die Ereignisse beinahe zum Stillstand kommen lässt. Doch es ist dabei so fein ausgehört und austariert, dass die Spannung unter dem Dirigat von Enno Poppe kaum zu überbieten schien.

Ähnlich spektakulär war in diesem Wien-Modern-November nur wenig, spektakulär daneben etwa der Auftritt des Suicide-Instrumentalisten Martin Rev beim Morton-Feldman-Projekt von Patrick Pulsinger, zumal die beiden US-Amerikaner rein gar nichts miteinander zu tun haben, was einen gemeinsamen thematischen Rahmen rechtfertigen würde. Überhaupt sind die dramaturgischen Fäden heuer ein wenig dünn geraten, sieht man einmal von Äußerlichkeiten wie geografischen Gemeinsamkeiten ab.

Auffällig war etwa die besondere Präsenz von österreichischen Komponisten wie Johannes Maria Staud und Thomas Wally. Ungeachtet der Qualitäten heimischer Musik: Auf lange Sicht könnte die Fortsetzung dieser Dominanz das Festival in Gefahr bringen, seinen internationalen Ruf zu verlieren. Allerdings: So lange Komponisten vom Rang eines Mark Andre dabei sind, scheint dieses Problem noch unter Kontrolle.

Ein wenig riskant war die heurige Retrospektive für den fast vergessenen Roman Haubenstock-Ramati: Zwei seiner Orchesterstücke wurden von Beat Furrer und dem ORF-RSO Wien makellos umgesetzt und machten diese Erinnerung an den polnisch-israelisch-österreichischen Avantgardisten künstlerisch ebenso wertvoll wie die Musiktheaterproduktion von Comédie/Play/Spiel in der Garage X am Petersplatz.

Zwiespältig blieb allerdings jener (halb) musiktheatrale Abend, der am Samstag das Finale bildete und als Ausblick auf das Festival des Jahres 2011 angekündigt worden war. "Ligetis Aventures" und "Nouvelles Aventures" wurden zwar vom Ensemble "phace" kultiviert wiedergegeben. Die Stücke (neben Harrison Birtwistles "Secret Theatre") als Sex-and-Crime-Story zu inszenieren (Regie und Kommissar: Michael Scheidl) bedeutete aber für Ligetis sinnbefreite Vokalartistik keinerlei Gewinn. Eher führte diese Konkretisierung zu einer unnötigen Einengung.

Noch ist zwar kaum etwas über die nächste Wien-Modern-Ausgabe bekannt. Sollte hier tatsächlich "ein Blick in die geheimnisvolle Zukunft des Festivals" geboten worden sein, wie es im Programmbuch heißt? Falls man das traditionelle Konzertformat weiter aufweichen möchte, so wäre dafür jedenfalls sicherlich etwas mehr an konzeptueller Arbeit nötig (Daniel Ender / DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2010)