Raus aus Hietzing, rein in die Welt von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Ex-Zivildiener Sebastian Kraner hat darüber einen Film gedreht, der nun von der Uno prämiert wurde

Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Wien - Als Sebastian Kraner hier anfing, suchte er eine Herausforderung: Er wollte heraus aus der Blase, in der er bisher gelebt hatte. Wer in Hietzing maturiert, hat meist nicht viel zu tun mit Ausländern, die keine Diplomatenkinder sind. Neun Monate später, sagt Sebastian, war er angekommen "im echten Leben".

Neun Monate, so lange dauerte Sebastians Zivildienst in der WG Refugio, einer Wohngemeinschaft der Caritas für minderjährige unbegleitete Flüchlinge. Nine Months heißt der Film, den er darüber gedreht hat. 16 Menschen wohnen in der WG, aus Afghanistan, dem Irak oder verschiedensten Ländern Afrikas. Sebastians Aufgabe war es, ihnen zu helfen. Beim Einkaufen oder in der Schule, bei Behördenwegen oder im Asylverfahren.

Wenn sie in Österreich ankommen, haben sie hier keine Freunde, keine Verwandte, kein Geld, das Erste, was sie bekommen, ist Misstrauen. Nicht einmal ihr Alter wird ihnen geglaubt: Gebiss und Handwurzelknochen werden geröntgt, die Schambehaarung und die Genitalien untersucht, erst dann wird der Geburtstag festgelegt - meist 1. Jänner, damit sie früher volljährig werden.

Für Essen bekommen sie fünf Euro pro Tag

Weil aber vom Geburtstag die Sozialversicherungsnummer abhängt und sich der bei den Flüchtlingen manchmal öfter ändert, verweigern Ärzte mitunter die Behandlung; sie dürfen zwar in die Schule gehen, aber nicht arbeiten. Und für Essen bekommen sie fünf Euro pro Tag, plus zehn Euro Taschengeld in der Woche. In Sebastians Film spielen sie Fußball, kochen, tanzen und lachen. "Was man sehr oft hier tut, ist das Beste aus der Situation machen", sagt Sebastian. Zum Beispiel Geburtstag feiern - an dem Tag, den die Bewohner als solchen angeben.

Film gewinnt Preis in New York

Mittlerweile ist Sebastians Dienstzeit vorüber, er ist wieder in der Blase, im "Transarts"-Studium an der Universität für angewandte Kunst. Im Oktober hat er in New York einen Preis der Uno für den Film gewonnen. Von den 1000 Euro Preisgeld sollen 500 die WG bekommen. "Ein kurzer Urlaub sollte sich noch ausgehen." (tob, DER STANDARD Printausgabe 22.11.2010)